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Hält Spermidin das Altern auf?

Spermidin kann im Tierversuch Prozesse der Zellreinigung anstoßen und lebensverlängernd wirken. Ob es auch beim Menschen positive Effekte zeigt, ist jedoch unklar.

Spermidin ist ein sogenanntes Polyamin, das alle Zellen produzieren. Forscher wiesen es in hoher Konzentration erstmals in Sperma nach, wodurch es seinen Namen erhielt. Der eiweißähnliche Stoff wird außerdem von Darmbakterien synthetisiert und mit der Nahrung aufgenommen. Als spermidinreich gelten Vollkornprodukte, Weizenkeime, Hülsenfrüchte, Äpfel, Salat, Sprossen und Kartoffeln. Aber auch Nüsse und gereifte Käsesorten, fermentierte Sojaprodukte und viele Gemüse- und Obstsorten enthalten Spermidin. Die Aufgaben im Körper sind noch nicht vollständig erforscht; die Substanz scheint jedoch an Selbstreinigungsprozessen der Zellen, der Autophagie, beteiligt zu sein. Während der Autophagie werden nicht mehr benötigte und defekte Zellbestandteile abgebaut. Dieser Prozess wird auch durch Fasten in Gang gesetzt.

Im Alter wird dieser Prozess ineffizienter und die überflüssigen Zellbestandteile bleiben in den Zellen zurück. Mit einer reduzierten oder gestörten Autophagie bringen Forscher Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Krebs und kardiovaskuläre Erkrankungen in Verbindung. Auch die Spermidinkonzentration in den Zellen sinkt mit steigendem Alter. Durch eine entsprechende Zufuhr über die Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel erhoffen sich Wissenschaftler eine verringerte Sterblichkeit. Studien an Hefen, Würmern und Fruchtfliegen haben tatsächlich lebensverlängernde Effekte nachgewiesen, sowohl durch Fasten als auch durch die Gabe von Spermidin. So konnte die Supplementation von Spermidin die Autophagie in den tierischen Zellen anregen und defekte Mitochondrien durch intakte ersetzen. Aus Humanstudien gibt es bisher nur wenige Ergebnisse. In einer südtiroler Studie, die zwischen 1995 und 2015 lief, wurden 829 Teilnehmer zu ihren Essgewohnheiten befragt und die Spermidinzufuhr ermittelt. Die beobachtete höhere Lebenserwartung bei den Teilnehmern mit hoher Spermidinaufnahme könnte jedoch auch durch eine insgesamt gesündere Lebensweise entstanden sein. Andere Forscher hoffen, dass sich neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer-Demenz möglicherweise durch Spermidin präventiv behandeln lassen. Darauf deutet die SmartAge-Studie hin, die derzeit an der Charité in Berlin durchgeführt wird. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte Studie untersucht die Effekte einer Spermidin-Supplementation bei 100 Probanden über zwölf Monate. Mit ersten Ergebnissen wird im Herbst 2020 gerechnet. Obwohl noch keine klaren Studienergebnisse vorliegen, sind bereits Nahrungsergänzungsmittel mit Spermidin aus Weizenkeimen auf dem Markt.

Die körpereigene Spermidinproduktion stört offenbar auch Coronaviren. Das zeigen Zellversuche im Labor. Die Zugabe von Spermidin konnte die Vermehrung der Viren um 85 Prozent reduzieren. Auf den Menschen übertragbar sind diese Ergebnisse jedoch nicht. Ebenso wenig ist abschließend geklärt, ob Spermidin aus der Nahrung oder mit Supplementen wirklich eine Wirkung beim Menschen entfaltet. Die bisherige Studienlage deutet zwar auf positive Effekte hin, ist für eindeutige Aussagen aber zu dürftig. Um gesund zu altern, ist es folglich sinnvoller, auf eine pflanzenbetonte, vollwertige Ernährung und lebenslange körperliche Bewegung zu setzen.

Literatur:

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Kerschner B (2018). Spermidin: Anti-Aging-Effekt unklar. www.medizin-transparent. at/spermidin
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Nora Haarz/UB, UGBforum 4/20