Rheuma: Essen gegen den Schmerz

Die Hüfte schmerzt beim Gehen, das Knie fühlt sich nach dem Aufstehen ganz schön steif an, die Hand ist nicht mehr so beweglich. All das sind typische Beschwerden von Menschen mit Rheuma. Mit einer bewussten Auswahl von Lebens­mitteln lassen sich die Aktivität der Krankheit beeinflussen und Schmerzen lindern.

Das Rheuma gibt es nicht. Hinter dem Begriff verbergen sich verschiedene Erkrankungen mit ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern. Sie treten größtenteils am Bewegungsapparat auf, häufig verbunden mit Schmerzen und eingeschränkter Beweglichkeit. Es können harte Strukturen betroffen sein wie Knochen, Gelenke und Knorpel oder Weichteile wie Muskeln, Bänder, Sehnen und Blutgefäße. Ursache für rheumatische Erkrankungen können Entzündungen, Gelenkverschleiß durch Überbeanspruchung (Arthrose) oder Stoffwechselstörungen sein. Nach Schätzungen sind in Deutschland etwa 2,1 Prozent der erwachsenen Bevölkerung oder 1,45 Millionen Menschen betroffen.

Die rheumatoide Arthritis, auf die im Folgenden insbesondere eingegangen wird, stellt die häufigste entzündliche rheumatische Gelenkerkrankung dar. Sie ist eine Autoimmunerkrankung, die durch wiederkehrende akute Entzündungsschübe gekennzeichnet ist. Durch fehlgesteuerte Reaktionen des Immunsystems setzt der Körper vermehrt Entzündungsstoffe frei, die zerstörerische Prozesse in Gang setzen und unter anderem Gelenkinnenhaut, Gelenkknorpel und knöcherne Strukturen angreifen. Neben dieser klassischen rheumatischen Erkrankung zählen aber noch sehr viel mehr Krankheitsbilder zum rheumatischen Formenkreis wie Fibromyalgie, Morbus Bechterew, Gicht oder Arthrose. Arthrose ist beispielsweise eine degenerativ-rheumatische Erkrankung – auch Verschleißrheuma genannt – bei der sich der Gelenkknorpel allmählich abnutzt. Auch hier kann sich das Gelenk wiederholt entzünden und anschwellen.

Antientzüdlich essen

Neben entzündungshemmenden Medikamenten, Schmerzmitteln und krankengymnastischen Übungen spielen Bewegung und Entspannung sowie genügend Schlaf eine große Rolle in der Behandlung von Rheumakranken. Um Entzündungsprozesse im Körper zu reduzieren und Symptome zu mildern, ist auch eine Ernährungstherapie wirkungsvoll. Zu den Grundsätzen gehört, krankheitsverstärkende und entzündungsfördernde Substanzen in der Ernährung zu verringern und gleichzeitig mehr entzündungshemmende Stoffe aufzunehmen.

Was genau im Körper bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen abläuft, ist nur unzureichend bekannt. Hinter den Beschwerden stecken sogenannte Entzündungsmediatoren. Das sind Botenstoffe, die auf bestimmte Zellen des Immunsystems wirken und damit das entzündliche Geschehen auslösen.

Entzündungsmediatoren sind hauptsächlich Zytokine (z.B. Interleukine) und Eicosanoide (z.B. Leukotriene und Prostaglandine). Der Stoffwechsel der Eicosanoide lässt sich über die Ernährung beeinflussen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Arachidonsäure zu, einer langkettigen Omega-6-Fettsäure. Aus ihr bildet der Körper entzündungsfördernde Botenstoffe. Arachidonsäure ist in tierischen Fetten enthalten, hauptsächlich in Fleisch, Eigelb, Schweineschmalz, Schweineleber und Leberwurst. Sie wird im Organismus in geringen Mengen benötigt und kann aus Linolsäure gebildet werden. Deshalb empfiehlt sich in der Rheumatherapie nicht nur die Zufuhr der Arachindonsäure zu reduzieren, sondern auch die der Linolsäure. Günstig ist daher eine fleischarme oder vegetarische Kost sowie die Verwendung von Pflanzenölen mit geringerem Linolsäuregehalt wie Oliven-, Lein- und Rapsöl.

Omega-3-Zufuhr erhöhen

Eine hohe Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren hemmt die körpereigene Synthese von Arachidonsäure und deren Umwandlung in entzündungsfördernde Eicosanoide. Gute pflanzliche Quellen für Omega-3-Fettsäuren in Form der Alpha-Linolensäure sind zum Beispiel Lein-, Leindotter-, Walnuss-, Soja-, Hanf- oder Rapsöl. Besonders wirksam sind die langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Sie können im Körper aus Alpha-Linolensäure gebildet werden, allerdings nur in sehr begrenztem Umfang. Da diese beiden Fettsäuren in größeren Mengen hauptsächlich in fetten Seefischen wie Lachs, Hering oder Makrele vorkommen, lautet die ärztliche Empfehlung oft, möglichst zweimal pro Woche Fisch zu essen oder Fischölkapseln einzunehmen. Fisch- oder Algenöl?

In verschiedenen Studien konnte die Einnahme von Fischölpräparaten Symptome wie Schmerzen oder Morgensteifigkeit mindern. Andere Studien konnten wiederum keine Belege für einen positiven Effekt finden. Eine Wirkung ist beispielsweise auch davon abhängig, wie hoch die gewählte Omega-3-Dosis ist oder wie viel EPA im Verhältnis zu DHA eingesetzt wird. Denn insbesondere EPA scheint Entzündungen entgegenzuwirken. Eine Meta-Analyse von 42 Rheumastudien aus dem Jahr 2017 schreibt den langkettigen Omega-3-Fettsäuren nur einen moderaten Einfluss auf das Schmerzgeschehen zu. Die Omega-3-Gabe kann aber dazu beitragen, den Einsatz entzündungshemmender Schmerzmittel (nicht-steroidale Antiphlogistika) zu verringern.

Vor dem Hintergrund überfischter Meere sind aus ökologischer Sicht eher pflanzliche Nahrungsmittel als Quelle für Omega-3-Fettsäuren empfehlenswert. Denn nicht nur Fisch und Fischöl sind reich an EPA und DHA. Das Öl aus Mikroalgen liefert ebenfalls die entzündungshemmenden Fettsäuren. Mit EPA und DHA aus Mikroalgen angereicherte Pflanzenöle sind daher eine gute Alternative. So zeigte eine zehnwöchige Untersuchung, dass sich der Verzehr von mit Mikroalgenöl angereicherten Nahrungsmitteln günstig auf Gelenkschwellungen und Entzündungswerte bei Menschen mit rheumatoider Arthritis auswirkte.

Pflanzliche Kost schützt

Zahlreiche Studien zu rheumatoider Arthritis konnten zeigen, dass sich bei vegetarischer Ernährung Symptome wie Schmerzen oder Morgensteifigkeit verbessern. Auch Medikamente, die unerwünschte Nebenwirkungen haben können, lassen sich dadurch einsparen. Eine vegetarsiche Kost liefert deutlich weniger Arachidonsäure als eine Mischkost mit Fleisch. Mit der in westlichen Industrieländern typischen Ernährungsweise werden etwa 200-400 Milligramm (mg) Arachidonsäure pro Tag aufgenommen, mit einer vegetarisch orientierten Kost sind es lediglich etwa 50 mg. In der Rheumatherapie wird eine maximale Aufnahme von 80 mg Arachidonsäure täglich oder 350-500 mg pro Woche empfohlen.

Auf Antioxidanzien achten

Entzündliche Prozesse im Körper sind unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass vermehrt Sauerstoffradikale entstehen. Die sehr reaktionsfreudigen Verbindungen greifen Körperstrukturen an und sind so wahrscheinlich an Gelenkschädigungen beteiligt. Dieser sogenannte oxidative Stress begünstigt außerdem die Entstehung verschiedener Erkrankungen wie Arteriosklerose und Krebs. Wichtig ist daher, dass Rheumapatient:innen genügend Antioxidanzien aufnehmen, die dem Organismus dabei helfen, Sauerstoffradikale unschädlich zu machen und Entzündungsprozesse abzuschwächen. Zu den Antioxidanzien in der Ernährung zählen insbesondere Vitamin C und E, Beta-Carotin, die Spurenelemente Selen, Kupfer und Zink sowie zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide oder Glukosinolate.

Nüsse, Samen und kaltgepresste, native Pflanzenöle wie Weizenkeimöl liefern reichlich antientzündliche sekundäre Pflanzenstoffe und Vitamin E. Auch Gemüse und Obst sind reich an antioxidativ wirksamen Inhaltsstoffen. Um den Gehalt bestmöglich auszuschöpfen, empfiehlt es sich, die Schale mitzuessen. Denn sekundäre Pflanzenstoffe befinden sich höher konzentriert gerade in der Schale und direkt darunter. Vitamin-C-reich sind insbesondere Paprika, Kohl, Zitrusfrüchte und Äpfel. Zur Versorgung mit antientzündlich wirksamen Spurenelementen sind Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte sowie Nüsse eine hervorragende Quelle (siehe Tab.1).

Als Folge des chronisch entzündlichen Prozesses ist der Bedarf an Antioxidanzien bei rheumatischen Erkrankungen höher. Das dürfte die Ursache dafür sein, dass bei Menschen mit rheumatoider Arthritis die Serumspiegel an Selen, Vitamin E und Zink oft erniedrigt sind. Ob sich eine zusätzliche Einnahme der Substanzen günstig auf die Krankheitsaktivität auswirkt, ist allerdings wissenschaftlich umstritten. Da auch die Gefahr einer Überdosierung besteht, sollte die Einnahme von Nahrungsergänzungen nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

Lebensmittel als Auslöser

Auslöser für die typischen Schübe bei rheumatoider Arthritis kann auch eine Empfindlichkeit auf bestimmte Nahrungsmittel sein. Autoimmunerkrankungen gehen überdurchschnittlich häufig mit Unverträglichkeiten einher. Neben Fleisch und fettreichen Milchprodukten gelten vor allem auch Mais, Weizen und Hafer als schubauslösend für Gelenkbeschwerden. Betroffene sollten verdächtige Lebensmittel wegen einer möglichen Mangelversorgung nicht in Eigenregie weglassen. Zusammen mit einer Ernährungsfachkraft gilt es herauszufinden, welche Nahrungsmittel möglicherweise Beschwerden hervorrufen.

Untersuchungen zufolge produziert das viszerale Fettgewebe (Bauchfett) schädliche hormonelle Botenstoffe wie Interleukine oder Tumornekrosefaktor-Alpha. Diese begünstigen unter anderem Entzündungsvorgänge und sind an den Angriffen auf Gelenke beteiligt. Darin vermuten Forscher auch einen Grund, warum stark übergewichtige Menschen häufiger an rheumatoider Arthritis erkranken und ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Eine Gewichtsabnahme kann die Symptome vermindern sowie das Ansprechen auf Medikamente verbessern. Insbesondere bei Arthrose ist Adipositas ein Teil der Ursache und beeinflusst stark den Verlauf der Erkrankung. So können übergewichtige Rheumakranke durch eine Gewichtsabnahme beschädigte Gelenke entlasten.

Osteoporose vorbeugen

Bei regelmäßiger Einnahme von Medikamenten wie dem Entzündungshemmer Cortison kann es als Nebenwirkung zum vorzeitigen Knochenabbau (Osteoporose) kommen. Deshalb sollten Rheumapatient:innen auf eine ausreichende Zufuhr von Calcium und Vitamin D achten. Milch und Milchprodukte sind gute Calciumlieferanten, wobei die fettarmen Varianten zu bevorzugen sind, denn auch das Milchfett enthält die entzündungsfördernde Arachidonsäure.

Pflanzliche Lebensmittel wie Brokkoli, Fenchel, Grünkohl, Haselnüsse oder Mandeln können ebenfalls zur Versorgung mit Calcium beitragen, genauso wie calciumreiche Mineralwässer. Vitamin D sorgt dafür, dass Calcium aus dem Darm aufgenommen und in die Knochen eingebaut wird. Der Körper produziert das Vitamin mit Hilfe der UV-Strahlen der Sonne über die Haut hauptsächlich selbst. Daher gilt insbesondere für Menschen mit Rheuma, sich draußen zu bewegen und dem Sonnenlicht auszusetzen. Da der Körper vor allem in den Wintermonaten mangels Sonneneinstrahlung nicht ausreichend Vitamin D bilden kann, ist eine Kontrolle der Blutwerte empfehlenswert. Die Einnahme als Nahrungsergänzung sollte in ernährungstherapeutischer oder medizinischer Begleitung erfolgen.

Fasten lindert Schmerzen

Pflanzliche Arzneimittel können die verschiedenen Rheumabehandlungen unterstützen. Zum Beispiel sollen Extrakte der Teufelskralle oder Nachtkerze schmerzlindernde sowie entzündungshemmende Eigenschaften besitzen. Die Wirksamkeit ist durch Studien aber nicht eindeutig belegt. Auch verschiedene Gewürze enthalten Wirkstoffe, die entzündliche Prozesse im Gewebe eindämmen. Ingwer und Kurkuma sind hier besonders hervorzuheben. Es spricht nichts dagegen, diese Gewürze reichlich ins Essen zu geben. Es gibt aber keine zuverlässigen Studien, die beispielsweise die Wirksamkeit von Kurkuma-Präparaten gegen Gelenkbeschwerden belegen. Um einen unkontrollierten Einsatz zu vermeiden, sollten Betroffene solche Präparate nicht auf eigene Faust einnehmen.

In Untersuchungen zum Fasten bei Rheuma sinkt die Zahl der schmerzhaften und geschwollenen Gelenke während des Nahrungsverzichts. Außerdem verbessert sich nach wenigen Tagen die Beweglichkeit der Gelenke. Die positiven Effekte des Fastens beruhen einerseits auf der ausbleibenden Zufuhr der Arachidonsäure. Bestimmte Metabolite des Fastenstoffwechsels (Beta-Hydroxybutyrat) wirken zudem direkt antioxidativ und entzündungshemmend. Durch das Fasten vermindert sich außerdem das viszerale Bauchfett. Ergebnisse aus Fastenstudien zeigen, dass sich Fasten und eine anschließende vegetarische Ernährung langfristig günstig auswirken können. Betroffenen fällt es nach den schmerzlindernden Erfahrungen des Fastens zudem oft leichter, die Ernährung umzustellen hin zu mehr pflanzlichen Lebensmitteln. Sie sollten aber nur unter fastenärztlicher Aufsicht am besten in einer Klinik fasten. Fastenärzt:innen können unterstützende Maßnahmen optimal und individuell einsetzen und mit der bestehenden Medikation abstimmen.

Vollwertig vegetarisch essen

Menschen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen können ihre Therapie mit einer vorwiegend vegetarischen Ernährung aktiv unterstützen und ihren Krankheitsverlauf verbessern. Eine vollwertige Kost hilft außerdem, überflüssige Pfunde zu verlieren. Nicht zuletzt trägt die Ernährung maßgeblich dazu bei, Erkrankungen vorzubeugen, die häufig gemeinsam mit Rheuma auftreten wie Typ-2-Diabetes, Arteriosklerose oder Fettstoffwechselstörungen.

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Aktiv werden – in Bewegung bleiben Dieser Beitrag ist erschienen in:
UGBforum 2/2022
Aktiv werden – in Bewegung bleiben


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