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Resistente Stärke -
Ein Ballaststoff kommt in Mode

Resistente Stärke ist in den letzten Jahren in den Blickpunkt der Forschung geraten. Wissenschaftler vermuten, dass sie zur Vorbeugung von Dickdarmkrebs beiträgt. Auch die Lebensmittelindustrie interessiert sich für den neuen Ballaststoff. Denn resistente Stärke gilt als potenzieller Bestandteil von Functional Food.

Stärke setzt sich aus zwei Glucoseketten zusammen, der Amylose und dem Amylopektin.Die beiden Polysaccharide unterscheiden sich lediglich in der Art, wie die bis zu 50.000 Zuckerbausteine miteinander verknüpft sind. Bis zum Ende der 70er Jahre wurde angenommen, dass Stärke vollständig im Dünndarm abgebaut wird. Heute weiß man aber, dass ein kleiner Teil der Stärke unverdaut den Dünndarm passiert, obwohl die Bauchspeicheldrüse stärkeabbauende Enzyme, die Amylasen, im Überschuss produziert. Diese so genannte resistente Stärke gelangt in den Dickdarm, wo sie - ähnlich wie andere Ballaststoffe (Nicht-Stärke-Polysaccharide) den Dickdarmbakterien als Nahrung dient.

Resistente Stärke

Resistente Stärke lässt sich in drei Fraktionen unterteilen

Zur ersten Fraktion (RS1) gehört Stärke, die in intakten Zellen eingeschlossen ist. Dadurch ist sie für die Verdauungsenzyme nur schwer zugänglich. Das trifft z. B. auf Stärke in ganzen oder grob zerkleinerten Getreidekörnern und auf einen Teil der Stärke in Hülsenfrüchten zu. Zur zweiten Fraktion (RS2) zählt Stärke, die in nativer Form im Dünndarm nicht verdaut wird. Grund ist hier der Aufbau der Stärkekörner bzw. die Anordnung der Stärkemoleküle im Stärkekorn. Dazu zählt z. B. die Stärke in rohen Kartoffeln, grünen Bananen oder amylosereichen Maissorten (Amylomais). Diese Variante kann aber verdaut werden, wenn die Stärkekörner durch Erhitzen zum Quellen und Platzen (Gelatinisieren) gebracht werden. In wässrigem Milieu müssen bei Kartoffel- und Bananenstärke etwa 70 °C erreicht werden. Stärke mit einem hohen Amyloseanteil wird zum Teil aber erst bei 150 °C freigesetzt. Die dritte Fraktion (RS3) umfasst die so genannte retrogradierte Stärke. Diese entsteht beim Abkühlen erhitzter, stärkehaltiger Lebensmittel wie Brot und Kartoffeln. Dabei lagert sich ein Teil derStärkemoleküle um, und es bilden sich kristalline Bereiche, die für die Amylase nicht zugänglich sind.

Resistente Stärke: Genaue Zufuhr noch unbekannt

Die meisten Lebensmittel enthalten nur geringe Mengen an resistenter Stärke. Ihre Zufuhr wird in Deutschland auf 3,2 bis 5,7 Gramm pro Tag geschätzt. Wissenschaftler vermuten allerdings, dass mehr resistente Stärke in den Dickdarm gelangt, als in den Lebensmitteln analysiert wird. Das kann unter anderem damit zusammenhängen, dass auch Wechselwirkungen zwischen Stärke und anderen Nahrungsbestandteilen, z. B. Lipiden und Proteinen, sowie eine beschleunigte Passage des Nahrungsbreis durch den Dünndarm die Verdauung der Stärke vermindern können. Einige Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass etwa zehn Prozent der verzehrten Stärke unverdaut in den Dickdarm gelangt.

Niedrigere Glucose- und Insulinspiegel?

Da resistente Stärke im Dünndarm nicht zu Glucose gespalten wird, müssten die Glucose- und Insulinspiegel nach ihrer Aufnahme weniger stark ansteigen als nach dem Verzehr von verdaulicher Stärke. Brote, die einen hohen Anteil an ganzen Getreidekörnern enthielten (RS1), führten z. B. zu geringeren Glucose- und/oder Insulinspiegeln als Brote aus fein vermahlenem Getreide. Für viele Hülsenfrüchte wurde ebenfalls ein niedriger Blutzuckeranstieg festgestellt. Dies spricht dafür, dass resistente Stärke vom Typ 1 Einfluss auf die Blutzuckerwirksamkeit eines Lebensmittels hat. Allerdings wird diese Stärkefraktion analytisch oft nicht erfasst, da Proben vor der Analyse normalerweise auf eine einheitliche Korngröße vermahlen werden. Der Gehalt an resistenter Stärke vom Typ 2 und 3 spielt allerdings keine Rolle für den Anstieg des Blutzuckers nach dem Essen.

Resistente Stärke: Einfluss auf die Blutfette

Bei Versuchstieren senkte der Verzehr von isolierter resistenter Stärke (RS2, RS3) anstelle von verdaulicher Stärke deutlich erkennbar die Triglyceride im Blut, oft auch das Cholesterin. Die Wirkung auf die Blutfettwerte wird darauf zurückgeführt, dass resistente Stärke die Ausscheidung von Sterinen und Gallensäuren über den Stuhl erhöht und außerdem den Gallensäuren- und Fettstoffwechsel der Leber beeinflusst. Beim Menschen hatte allerdings weder der Verzehr von RS2 noch von RS3 einen Einfluss auf die Cholesterin- und Triglyceridspiegel. Es gab auch keine Hinweise, dass resistente Stärke auf den enterohepatischen Kreislauf der Gallensäuren oder die Cholesterinresorption und -biosynthese einwirkt. Die Unterschiede in der Wirkung von resistenter Stärke bei Versuchstieren und dem Menschen sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Tiere relativ größere Mengen an resistenter Stärke aufnahmen als die Versuchspersonen. Der Verzehr von 30 Gramm der isolierten Fraktionen RS2 oder RS3 pro Tag, was etwa sechs Prozent der Nahrungstrockenmasse entspricht, hatte bei den Teilnehmern Beschwerden wie Blähungen und Bauchschmerzen zur Folge. Tiere dagegen tolerieren offenbar problemlos zehn Prozent und mehr im Futter.

Resistenten Stärke: Schutzwirkung im Dickdarm

Der weitaus größte Teil der resistenten Stärke wird von den Dickdarmbakterien unter Ausschluss von Sauerstoff abgebaut (fermentiert). Hierbei entstehen, wie aus anderen Kohlenhydraten auch, die kurzkettigen Fettsäuren Acetat, Propionat und Butyrat. Stärke ergibt dabei mehr Butyrat als andere Kohlenhydrate. Diese kurzkettige Fettsäure ist die wichtigste Energiequelle für die Zellen der Dickdarmschleimhaut. In Zellkulturen beeinflusst Butyrat auch die Zellteilung und -differenzierung und verhindert hierdurch die unkontrollierte Vermehrung von Tumorzellen. Deshalb wird vermutet, dass resistente Stärke zum Schutz vor Dickdarmkrebs beitragen kann. Allerdings gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Beweis für diese Hypothese. Beim Menschen wird der größte Teil der resistenten Stärke, zumindest von RS2 und RS3, bereits im oberen Dickdarm fermentiert. Die entstandenen kurzkettigen Fettsäuren werden schnell und nahezu vollständig, das heißt zu mehr als 95 Prozent am Ort ihrer Entstehung resorbiert. Die meisten Tumore entstehen jedoch im unteren Dickdarm. Es gibt aber Hinweise, dass in groben Partikeln eingeschlossene Stärke (RS1) - z. B. in Getreidekörnern - länger den bakteriellen Angriffen widersteht und deshalb noch im unteren Dickdarm als Nahrung für die Bakterien dient und zur Butyratbildung beiträgt. Andere Faktoren, die als günstig für eine Vorbeugung von Dickdarmkrebs gelten, z. B. ein niedriger pH-Wert, geringe Konzentrationen an Ammoniak oder sekundären Gallensäuren, wurden durch den Verzehr von isolierter resistenter Stärke nur wenig beeinflusst.

Der Verzehr von resistenter Stärke erhöht das Stuhlgewicht. Da unsere Kost jedoch nur wenig resistente Stärke enthält, ist dieser Effekt allerdings gering und liegt in dem Bereich, der für leicht fermentierbare Nicht-Stärke-Polysaccharide (Pektin, Citrusfasern) gefunden wurde. Ballaststoffe aus Vollkornbrot oder Weizenkleie haben eine wesentlich größere Wirkung auf das Stuhlvolumen. Im Gegensatz zu diesen Ballaststoffen verkürzt resistente Stärke auch nicht die Passagezeit des Nahrungsbreis durch den Dickdarm und vermindert auch nicht die Konzentration an schädlichen Stoffen.

Resistenter Stärke verbessert die Aufnahme von Mineralstoffen

Bei Ratten verbesserte der Verzehr resistenter Stärke die Resorption bzw. die Bilanzen von Calcium, Magnesium, Eisen, Zink und Kupfer. Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass es infolge der schnellen Fermentation der resistenten Stärke zu einer Absenkung des pH-Wertes im Dickdarm kommt. In einem solchen leicht sauren Milieu können sich die Mineralstoffe, die als zweiwertige Metall-Kationen vorliegen, besser lösen und werden leichter resorbiert. Es ist durchaus vorstellbar, dass resistente Stärke auch beim Menschen dazu beiträgt, dass Calcium und Magnesium nicht nur im Dünndarm, sondern auch noch aus dem Dickdarm aufgenommen werden. Welche Mengen an resistenter Stärke für einen solchen Effekt nötig sind, lässt sich aus Tierexperimenten allerdings nicht ableiten. Die Aufnahme von 30 Gramm RS2 oder RS3 hatte beim Menschen keinen Einfluss auf die Resorption von Calcium und Magnesium.

Fördert die Darmgesundheit

Unsere heutige Ernährung enthält sowohl zu wenig Stärke als auch einen zu geringen Anteil an Ballaststoffen. Eine hohe Zufuhr beider Nahrungsbestandteile trägt nach den vorliegenden Erkenntnissen zur Gesundheit des Dickdarms bei. Ihre Fermentation liefert kurzkettige Fettsäuren, beeinflusst bakterielle Reaktionen und erhöht das Stuhlgewicht. Ob resistente Stärke darüber hinausgehende spezifische Effekte hat, ist gegenwärtig nicht bewiesen. Eindeutige Wirkungen auf die Blutfettwerte und die Glucose- und Insulinspiegel nach dem Essen sind bei realistischen Aufnahmemengen von resistenter Stärke nicht zu erwarten.

Unter ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten ist es zu begrüßen, wenn die Aufnahme von Stärke und Ballaststoffen über Getreideprodukte, Kartoffeln, Gemüse und Obst weiter zunimmt. Denn hierdurch erhöht sich auch die Zufuhr anderer wünschenswerter Substanzen. Gleichzeitig kommen in der Regel weniger tierische Lebensmittel auf den Tisch. In der Praxis setzen allerdings nur wenige Menschen eine solche Ernährung um. Um den Anteil an resistenter Stärke in der Nahrung zu erhöhen, kann sie Lebensmitteln zugesetzt oder ihr Gehalt durch technologische Prozesse (RS2 und RS3) gesteigert werden. Dabei bleibt aber zu bedenken, dass der Mensch isolierte resistente Stärke vom Typ 2 oder 3 nur in begrenzten Mengen toleriert. Der bessere Weg ist sicherlich, ihre Aufnahme durch mehr grob oder nicht zerkleinerte Getreideprodukte (RS1) zu steigern.

Quelle: Wisker, E.: UGB-Forum 2/01, S. 75-77

Dieser Beitrag ist dem UGB-Archiv entnommen.

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