Demenz: Essen und Vergessen

In Deutschland leben ungefähr 1,5 Millio­nen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass verschiedene Ernährungsfaktoren eine Rolle spielen könnten.

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Den Schlüssel verlegt oder einen wichtigen Termin vergessen – jedem ist das schon einmal passiert. Vergessen ist menschlich. Doch für über eine Million Deutsche bedeutet das Vergessen eine große Einschränkung ihrer Alltagskompetenz. Sie leiden an einer Demenz, einer erworbenen Störung ihrer Gedächtnisfähigkeit. Die wohl bekannteste und häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz. Betroffene zeigen neben ihrer Vergesslichkeit oft auch ein gestörtes Sozialverhalten. Es kommt zu Veränderungen des Sprach-, Denk- und Urteilsvermögens, häufig wandelt sich die ganze Persönlichkeit. Die Krankheit geht mit verschiedenen Veränderungen im Nervensystem einher. Dazu zählen der Untergang von Nervenzellen, Ablagerung von Alpha-Amyloid und anderen Proteinen zwischen den Nervenzellen zu sogenannten Plaques sowie Verdickungen der Nervenzellen zu krankhaften Neurofibrillenbündeln. Als zweithäufigste Gruppe von Demenz­erkrankungen gilt die vaskuläre Demenz. Darunter sind verschiedene Demenzformen zusammengefasst. Gemeinsame Ursache sind Probleme und Durchblutungsstörungen in Blutgefäßen (vaskulär) im Gehirn.

Demenzrisiko mit Ernährung vermindern?

Die Häufigkeit der Alzheimer-Demenz wird durch den demografischen Wandel in den nächsten Jahren beträchtlich steigen. Doch obwohl der Forscher Alois Alzheimer die Krankheit schon vor über 100 Jahren das erste Mal beschrieb, sind die genauen Ursachen bis heute unbekannt. Zu den möglichen Risikofaktoren gehören das Metabolische Syndrom, chronische Entzündungen und oxidativer Stress. Die Ernährung beeinflusst alle drei Faktoren. Einen klaren Zusammenhang zwischen einer ungünstigen Ernährungsweise und der Alzheimer-Demenz konnte die Wissenschaft bisher jedoch nicht bestätigen. Einige Faktoren werden allerdings verstärkt diskutiert. Besonders plausibel erscheint der Zusammenhang mit Vitamin B12 und einer verschlechterten Glucosetoleranz.

Alzheimer-Demenz

Nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft sind etwa 70 Pro­zent aller Demenzkranken Frauen. Der Hauptgrund dafür liegt in der un­terschiedlichen Lebenserwartung. Jahr für Jahr treten mehr als 300.000 Neuerkrankungen auf. Etwa 60 Prozent aller Demenzen werden durch eine Alzheimer-Demenz hervorgerufen. Bei dieser Krankheit gehen in bestimmten Bereichen des Gehirns Nervenzellen zugrunde. Man spricht auch von einer neurodegenerativen Demenz.

Vitamin B12 ist am Aufbau des gesamten Nervensystems beteiligt und sorgt für einen geregelten Hirnstoffwechsel. Es ist wichtig für den Abbau der Aminosäure Homocystein. Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass ein hoher Homocysteinspiegel die Demenzentstehung begünstigt. Eine unzureichende Versorgung mit Vitamin B12 erhöht den Homo­cysteinspiegel und somit möglicherweise auch das Demenzrisiko. Außerdem wirkt sich das Vitamin in Verbindung mit Folsäure auch unabhängig von einer Demenz positiv auf das Kurz- und Langzeitgedächtnis aus.

Studienlage nicht eindeutig

Vitamin D ist derzeit in aller Mun­de. Auch über einen Zusammenhang zwischen der Vitamin-D-­Versorgung und Demenz wird diskutiert. Da das Vitamin am Calciumhaushalt und Knochenaufbau beteiligt ist, gilt es als besonders wichtig für Senioren. Bei einem Blutwert von unter 25 Nanomol pro Liter Vitamin D steigt das statistische Risiko einer Demenzerkrankung auf das Doppelte, so das Ergebnis einer Einzelstudie. Interventionsstudien mit einer erhöhten Vitamin-D-Zufuhr konnten eine Risikominderung allerdings nicht belegen. Denn ob ein Vitamin-D-Mangel nun wirklich eine Ursache der Demenz ist oder eher die Folge der Erkrankung, bleibt unklar.

Als Ursache für Demenz sind auch freie Radikale und oxidativer Stress ins Visier der Forscher geraten. Vitamin E zeigt als antioxidativer Gegenspieler dabei besonders positive Effekte. Es schützt die Nervenzellen vor oxidativen Schäden und vermindert die Bildung von Plaques. Bei den anderen antioxidativ wirksamen Nährstoffen wie Vitamin C, Beta-Carotin und verschiedenen sekundären Pflanzenstoffen gibt es widersprüchliche Studienergebnisse. Als gesichert kann der Zusammenhang daher nicht bezeichnet werden. Unabhängig davon ist eine antioxidanzienreiche Ernährung mit reichlich Gemüse und Obst aber auf jeden Fall empfehlenswert.

Auf die „guten“ Fettsäuren achten

Ungesättigte Fettsäuren sind Teil der neuronalen Zellmembran, sie sind wichtig für die Nervenfunktion. Hoher Fischkonsum ist mit einem geringeren Demenzrisiko verbunden. Unklar ist allerdings, ob dies der Verdienst der ungesättigten Omega-3-Fettsäuren ist, die in Fisch reichlich enthalten sind. Denn bei einer isolierten Gabe von Omega-3-Fettsäuren konnten keine nennenswerten Effekte nachgewiesen werden. Da Fische auch eine gute Quelle für Vitamin D und Vitamin B12 sind, ist das geringere Demenzrisiko von Fischessern vielleicht auch darauf zurückzuführen. Einige Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen gesättigten Fettsäuren, Trans-Fettsäuren und einem höheren Demenzrisiko hin.

Andere Studien zeigen, dass bei Typ-2-Diabetikern im Alter die kognitiven Fähigkeiten schneller abnehmen als bei Personen ohne Diabetes. Bei andauernd hohem Blutzuckerspiegel (chronische Hyperglycämie) leidet die Sensibilität der insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse und es wird weniger Insulin ausgeschüttet. Der oxidative Stress im Gehirn steigt und sogenannte Advanced Glycation Endproducts (AGEs)lagern sich ab. Diese Verbindungen aus Glucose und Proteinen verstärken die Insulinresistenz und schädigen die Nerven im Gehirn. In der Diabetologie bezeichnet man diese Phänomene zusammenfassend als Glucosetoxizität. Es kommt zu einer schleichenden Reduktion der Blutzuckerverwertung im Gehirn. Davon sind auch Regionen betroffen, die für das Erinnerungsvermögen und für die Entstehung einer Demenz bedeutend sind.

Aluminium und Queck­silber unter Verdacht

Aluminium ist das am weitesten verbreitete natürliche neurotoxische Element. Schon bei geringer Konzentration weist es eine hohe Toxizität auf. Da es dem Eisen chemisch ähnlich ist, gelangt es via Transferrin-Rezeptoren ins Gehirn. Dort fördert es nachweislich die Entzündungsaktivität und bildet das Zentrum der amyloiden Plaques. Teilweise sind Lebensmittel mit Aluminium belastet. Verschiedenen Hautpflegeprodukten wird Aluminium als Schweißhemmer (Antitranspirant) zugesetzt. Bedenklich dabei ist, dass der wöchentliche Höchstwert von einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht schon allein durch die tägliche Benutzung eines aluminiumhaltigen Antitrans­pirants überschritten wird. Auch durch unsachgemäße Verwendung einiger Bedarfsgegenstände wie Töpfen aus Aluminium steigt die Belastung. Bei Alzheimerpatienten wurde zudem ein Gen entdeckt, das die Aluminiumaufnahme noch verstärken könnte.

Ebenso wie ein Vitamin-B12-Mangel hemmt Quecksilber den Homocysteinabbau. Es gelangt über die Transportwege des Selens in das Gehirn und kann das wichtige Spurenelement aus seinen funktionellen Verbindungen verdrängen. Selen schützt das Gehirn vor oxidativen Schäden. Bei einem durch Quecksilber verursachten Selenmangel kann es zu vermehrter Plaquebildung und Schädigung der Neurofibrillen kommen. Sowohl bei Industriearbeitern mit hoher Quecksilberexposition als auch bei Zahnärzten und Zahnarzthelferinnen wurde ein Zusammenhang zwischen der Quecksilberbelastung und den kognitiven Fähigkeiten festgestellt. Wer quecksilberreiche Fische wie Thunfisch, Heilbutt und Buttermakrele meidet und Waldpilze nur gelegentlich verzehrt, verringert seine Quecksilberbelastung.

Mit der richtigen Ernährung vorsorgen

Reichlich Gemüse und Obst mit hohem antioxidativen Potenzial, ungesättigte Fettsäuren und eine geringe Schwermetallbelastung können bis ins hohe Alter zu einem gesunden Allgemeinzustand beitragen. Möglicherweise lässt sich auf diese Weise auch das Demenzrisiko zusätzlich vermindern. Die Datenlage ist allerdings noch zu uneindeutig, um dies konkret zu belegen. Plausibler erscheint dies bei den Themen Vitamin B12 und Insulinresistenz. Eine ausreichende Vitamin-B12-Versorgung trägt wahrscheinlich zu einem geringeren Demenzrisiko bei.

Wer regelmäßig Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte sowie Nüsse und Ölsaaten in Maßen verzehrt, Sport treibt und in jüngeren und mittleren Jahren regelmäßig fastet, beugt einer schleichenden Insulinresistenz vor und verringert so ebenfalls sein Risiko, an Demenz zu erkranken.

Seminartipp: Gut ernährt im Alter und bei Demenz

UGB-Dozent Hans-Helmut Martin erklärt in diesem Seminar zusammen mit dem auf Altenheimverpflegung spezialisierten Küchenmeister Herbert Thill, was sich im Alter physiologisch verändert und wie dennoch eine gute Nährstoffversorgung gelingt. Häufige Probleme wie Schluckstörungen, Untergewicht und Demenz werden thematisiert und praktische Lösungen aufgezeigt. In der Lehrküche gibt es konkrete Tipps für die alters- und bedarfsgerechte Zubereitung. Zielgruppe dieser Fortbildung sind Köche, Küchenfachkräfte, Pflegefachkräfte und Personen, die Hochbetagte und Demenzkranke begleiten.
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Quelle: Martin HH, Watzinger C: UGBforum 1/16, S. 38-40
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