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Kaffee - Ohne Reue genießen?

Weltweit ist Kaffee nach Erdöl das am häufigsten gehandelte Gut und nach Wasser das wichtigste Getränk. Die Deutschen trinken im Durchschnitt 150 Liter pro Kopf und Jahr. Bislang glaubte man, das schade der Gesundheit. Nun zeigen neueste Studien, dass Kaffee möglicherweise Krebs, Diabetes oder Herzinfarkt vorbeugen kann.

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Seine Beliebtheit verdankt der Kaffee nicht nur seinem Aroma, sondern auch dem Coffein. Der Coffeinanteil macht ein bis zwei Prozent der Inhaltsstoffe von Röstkaffee aus. Eine Tasse Kaffee (125 ml) enthält 50-130 mg, ein Espresso (50 ml) 50-60 mg Coffein. Von Kaffeetrinkern wird vor allem seine psychoaktive Wirkung geschätzt: Müdigkeit lässt nach, Konzentrations- und Lernfähigkeit steigen, die Stimmung hellt sich auf. Im Gegensatz zu schwarzem Tee, in dem Coffein an Gerbstoffe gebunden vorliegt und nur langsam freigesetzt wird, ist Coffein im Kaffee an Chlorogensäure gebunden. Diese Bindung zerfällt im sauren Milieu des Magens rasch, so dass 20-60 Minuten nach dem Kaffeegenuss bereits die maximale Blutkonzentration erreicht ist. Der Abbau dagegen dauert deutlich länger. Die Halbwertszeit liegt bei drei bis sieben Stunden.

Coffein nicht immer verträglich

Für gesunde Erwachsene gelten 450 mg Coffein pro Tag als verträglich, also etwa vier Tassen Kaffee. Allerdings gibt es Personen, die bereits unterhalb dieser Menge unerwünschte Wirkungen wie Herzklopfen, Nervosität und Zittern verspüren. Die individuelle Verträglichkeit von Coffein ist sehr unterschiedlich. Zudem kann sich durch eine veränderte Anzahl von Rezeptoren eine gewisse Toleranz gegenüber Coffein entwickeln. Die Coffein­wirkung ist allerdings auch von genetischen Faktoren abhängig, die die Geschwindigkeit des Abbaus beeinflussen.
In der Schwangerschaft ist der Abbau von Coffein deutlich verzögert. Da mehr als 300 mg Coffein pro Tag beim Baby zu Wachstumsverzögerungen und zu einem verringerten Geburtsgewicht führen können, sollten werdende Mütter ihren Kaffeekonsum einschränken. Zudem ist der Zusammenhang zwischen der Coffeinzufuhr während der Schwangerschaft und dem Risiko für Fehlgeburten und Entwicklungsstörungen des Föten noch nicht abschließend geklärt. Auch wenn viele epidemiologische Studien keinen Zusammenhang beobachten konnten, ist für Schwangere Zurückhaltung bei coffeinhaltigen Getränken angebracht. Das gilt auch für stillende Mütter. Denn Coffein gelangt in die Muttermilch, und gerade bei Neugeborenen dauert der Abbau von Coffein besonders lange. Gichtkranke müssen dagegen nicht auf Kaffee verzichten. Entgegen früherer Annahmen ist heute bekannt, dass beim Abbau von Coffein keine Harnsäure entsteht. Manchen Menschen bereitet Kaffee Magenbeschwerden. Hierfür sind neben Coffein die Röststoffe im Kaffee verantwortlich. Ein erhöhtes Risiko für Magengeschwüre besteht indes für Kaffeetrinker nicht.

Kein Ausgleich für Trinkdefzite

Früher galt Kaffee wegen seiner harntreibenden Wirkung als Flüssigkeitsräuber – ein Irrtum, wie man heute weiß. Die Nieren sind in der Lage, Änderungen der Flüssigkeitszufuhr in einem großen Bereich auszugleichen, auch den harntreibenden Effekt des Kaffees. Das gilt aber nur, wenn insgesamt genug getrunken wird. Wer deutlich zu wenig trinkt oder durch starkes Schwitzen, Erbrechen oder Durchfall viel Flüssigkeit verliert, kann das Defizit nicht durch Kaffee ausgleichen, sondern vergrößert es vielmehr. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass ältere Personen das Gefühl für Durst so weit verloren haben können, dass ihre tägliche Trinkmenge zu niedrig und die Flüssigkeitsversorgung des Körpers unzureichend sein kann. In solchen Fällen sollte Kaffee nicht zur täglichen Trinkmenge gerechnet werden.

Beim Rösten von Kaffeebohnen entstehen neben den erwünschten Aromastoffen auch Acrylamid und Furan. Beide wirkten in Tierstudien krebserregend. Acrylamid wird für den Menschen derzeit als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. In Deutschland nehmen Erwachsene täglich ca. 21-35 µg Acrylamid mit der Nahrung auf. Durch Rauchen steigt die Belastung auf zusätzliche 100-200 µg. Eine Tasse Kaffee ist mit rund 1,4 µg Acrylamid belastet. Nach aktuellen Untersuchungen von Stiftung Warentest und Öko-Test enthält die Mehrzahl der Kaffeesorten Acrylamidmengen unterhalb des gültigen Signalwerts. Allerdings fallen einzelne Marken durch erhöhte Gehalte auf.

Ob eine langfristige Aufnahme geringer Mengen Furan mit der Nahrung beim Menschen krebsauslösend wirkt, ist dagegen noch unklar. Für Erwachsene gilt Kaffee als Hauptquelle für diese Verbindung. Allerdings schwankt der Gehalt abhängig von der Brühmethode. Kaffee aus Vollautomaten enthält gut viermal so viel Furan wie aus Kaffeemaschinen oder einem Handaufguss. Aktuell sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung allerdings bei den über Lebensmittel aufgenommen Mengen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher.

Einfluss auf Mineralstoffhaushalt

In Kaffee enthaltene Polyphenole binden Nicht-Häm-Eisen und hemmen dessen Aufnahme im Darm. Bereits eine Tasse Kaffee kann auf diese Weise die Eisenaufnahme (Resorption) um bis zu 73 Prozent vermindern. Eine ähnliche, wenn auch weniger ausgeprägte und weniger gut untersuchte Wirkung hat Kaffee auf die Zinkresorption. Daher ist es ratsam, Kaffee nicht zu oder kurz nach den Hauptmahlzeiten zu trinken. Regelmäßiger Kaffeekonsum wird als Risikofaktor für die Entstehung von Osteoporose diskutiert. Nach derzeitigem Kenntnisstand schaden bis zu drei Tassen Kaffee pro Tag den Knochen nicht, wenn gleichzeitig ausreichender Calcium aufgenommen wird. Ein hoher Kaffeekonsum bei gleichzeitig niedriger Calciumzufuhr ist allerdings kritisch zu sehen.

Schlecht für Herz und Gefäße?

Coffeinhaltiger Kaffee erhöht kurzfristig den Blutdruck. Aktuellen Studien zufolge steigert aber der gewohnheitsmäßige Konsum von Kaffee weder dauerhaft den Blutdruck, noch das Risiko Bluthochdruck zu entwickeln. Auch bei Bluthochdruckpatienten erhöht regelmäßiger Kaffeegenuss nicht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allerdings steigt durch den regelmäßigen Konsum der Cholesterinspiegel, vor allem durch ungefilterten Kaffee. Für diesen Effekt ist nicht das Coffein verantwortlich, sondern die in Kaffee enthaltenen Diterpene Cafestol und Kahweol. Sie kommen in gefiltertem Kaffee und Instant-Kaffee in wesentlich geringeren Mengen vor. Personen, die bereits einen zu hohen Cholesterinspiegel haben, sollten ungefilterten Kaffee wie Mokka, French Press oder Kaffee aus Vollautomaten daher meiden.

Epidemiologische Studien lassen nicht darauf schließen, dass Kaffee generell das Risiko für Herz-Kreislauf-Leiden erhöht. Daten aus der Nurses’ Health Study sprechen sogar dafür, dass vier und mehr Tassen Kaffee pro Tag das Schlaganfallrisiko bei Frauen um 20 Prozent senken können. Vollständige Entwarnung kann aber nicht gegeben werden: Bei manchen Menschen, insbesondere Personen mit arteriosklerotischen Vorerkrankungen, scheinen die kurzfristigen Wirkungen von Kaffee akute Herz-Kreislauf-Beschwerden, zum Beispiel einen Herzinfarkt, auslösen zu können. Vermutlich werden die Wirkungen von Kaffee auf das Herz-Kreislauf-Risiko von genetischen Faktoren beeinflusst, so dass einzelne Personen empfindlicher reagieren als der Bevölkerungsdurchschnitt.

Diabetes: Kaffeetrinker erkranken seltener

Personen, die gewöhnlich vier und mehr Tassen Kaffee pro Tag trinken, können das Risiko, an Typ 2-Diabetes zu erkranken, um 30 Prozent senken. Darauf weisen epidemiologische Studien hin. Das ist erstaunlich, denn schon länger ist bekannt, dass Coffein in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel zu erhöhen und die Insulinsensitivität zu verringern. Nach neuesten Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass andere Substanzen im Kaffee nicht nur in der Lage sind, die unerwünschten Wirkungen des Coffeins auf den Zuckerstoffwechsel abzumildern, sondern sogar ins Gegenteil zu verkehren. Dafür scheint Chlorogensäure verantwortlich zu sein, Wissenschaftler vermuten, dass Chlorogensäure und ihre Stoffwechselprodukte Blutzuckerspitzen und starken Schwankungen des Blutzuckerspiegels entgegenwirken.

Kaffee wurde früher verdächtigt, insbesondere das Risiko für Blasen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erhöhen. Eine große Zahl epidemiologischer Studien entlastet ihn: Inzwischen überwiegen die Hinweise, dass Kaffee keinen Einfluss auf das Risiko hat. Bezüglich Dickdarmkrebs mehren sich die Indizien, dass Kaffee das Risiko sogar senken könnte. Ähnliches gilt für Leberkrebs. Hinsichtlich anderer Krebsarten zeigt eine ständig wachsende Anzahl an Studien, dass Kaffee entweder keinen Effekt hat oder sogar schützend wirkt. Neuere Forschungen deuten außerdem darauf hin, dass das Coffein im Kaffee Nervenzellen in der Großhirnrinde aktiviert und so einen präventiven Effekt auf Morbus Parkinson und Morbus Alzheimer haben könnte.

Auf Kosten von Umwelt und Kleinbauern

Ein Pfund konventioneller Kaffee ist in Deutschland ab 3,80 Euro zu haben. Vom Erlös erhalten die Kaffeebauern lediglich sechs Prozent – zu wenig für eine gesicherte Existenz. Fairer Handel kann die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kaffeebauern verbessern. Ein garantierter Mindestpreis macht sie von Preisschwankungen auf dem Weltmarkt unabhängig. Wer beim Kaffeetrinken außer an die Kaffeebauern auch an die Umwelt denkt, sollte fair gehandelten Bio-Kaffee kaufen. Heute sind bereits mehr als 60 Prozent des fair gehandelten Kaffees zugleich nach ökologischen Kriterien erzeugt. Kaffeepflanzen benötigen ein ausgeglichenes Klima und gedeihen am besten ohne zu starke Sonnenseinstrahlung. Traditionell wird Kaffee daher im Schatten großer Bäume angepflanzt, wodurch die Artenvielfalt kaum beeinträchtigt wird und sich in der Regel ein Gleichgewicht zwischen Schädlingen und Nützlingen einstellt. Je niedriger der Preis für Kaffee allerdings ist, desto mehr Kaffeebauern sehen sich gezwungen, umgebende Bäume zu roden und Kaffeesträucher in Monokultur anzubauen, um die Erträge pro Hektar zu steigern. Ein verstärkter Einsatz von Herbiziden und Pestiziden, Wasserverschmutzung im Umfeld der Plantagen und Bodenerosionen sind die Folge. Die Bio-Anbauverbände unterstützen den traditionellen Anbau in Mischkulturen und verzichten auf synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel.

Virtueller Wasserräuber

Doch ob konventionell, ökologisch oder fair: Der Kaffeeanbau in den Erzeugerländern verursacht Kosten, für die niemand zahlt. Für eine Tasse Kaffee werden durchschnittlich 140 Liter virtuelles Wasser bei Anbau und Verarbeitung verbraucht. Der Löwenanteil dieser Menge ist Niederschlagswasser, das die Kaffeesträucher zum Wachsen benötigen – eine kostbare Ressource der Anbauländer. Ein kleiner Bruchteil des verbrauchten Wassers wird für die Aufbereitung der Kaffeekirschen (Bohnen) im Nassverfahren verwendet. Hierfür wird Grund- oder Oberflächenwasser benötigt, das häufiger knapp und nach dem Prozess stark verschmutzt ist.

Maßvoller Genuss

Kaffee genießt in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert und sein Genuss ist oft verbunden mit Geselligkeit und Zeiten der Entspannung. Aus gesundheitlicher Sicht spricht nichts gegen den Genuss von drei bis vier Tassen pro Tag. Aktuelle Meldungen, die Kaffee als Gesundheitselixier preisen, berufen sich auf Ergebnisse epidemiologischer Studien. Doch die Zusammenhänge zwischen Kaffeekonsum und Gesundheit lassen sich bis heute nicht hinreichend beweisen. Kaffee als präventiv wirksames Getränk im Rahmen einer gesunden Ernährung zu empfehlen, wäre schlicht übertrieben. Konventioneller Kaffee ist weder aus ökologischer noch sozialer Sicht nachhaltig. Gegen einen mäßigen Genuss fair gehandelten Kaffees aus ökologischen Anbau ist aber nichts einzuwenden.

Literatur (Auswahl)
Binns CW u.a. Tea or coffee? A case study on evidence for dietary advice. Public Health Nutr 11(11), S. 1132-1141, 2008 Chapagain AK, Hoekstra AY. The water footprint of coffee and tea consumption in the Netherlands. Ecol Econ 64, S. 109-118, 2007 La Vecchia C, Tavani A. Coffee and cancer risk: an update. Eur J Canc Prev 16, S. 385-389, 2007 Natella F, Scaccini C. Role of coffee in modulation of diabetes risk. Nutr Rev 70 (4), S. 207-217, 2012 Wu JN u.a. Coffee consumption and risk of coronary heart disease: A meta-analysis of 21 prospective cohort studies. Int J Cardiol 137(3); S. 216-225, 2009 Eine ausführliche Literaturliste kann kostenlos unter dem Stichwort „Kaffee“ per E-Mail an [email protected] angefordert werden.

Quelle: Nestle M. UGB-FORUM 1/13, S. 38-41
Foto: pixelio.de