Laktoseintoleranz bei Kindern: Bauchschmerzen – was tun?

Manche Kinder klagen häufig über Bauchweh. Treten die Beschwerden immer wieder auf, werden sie möglicherweise durch Lebensmittel ausgelöst. Manchmal ist Milchzucker der Auslöser. Mit Know-how und einem positiven Umgang gelingt es, Kinder entspannt an den veränderten Speiseplan zu gewöhnen.

laktoseintoleranz_1.jpg

Über 30 verschiedene Ursachen können hinter dem recht unspezifischen Symptom Bauchschmerzen stecken. Nicht selten handelt es sich um Ärger, Frust oder Angst. Leiden Kinder aber immer wieder an Bauchweh, sollte man der Ursache gewissenhaft auf den Grund gehen. Für Ärzte gestaltet sich die Diagnostik schwierig, weil die meisten kleinen Patienten mit unklaren Bauchschmerzen keinen entzündlichen, infektiösen oder biochemischen Befund haben. Wenn Hinweise auf eine organische Ursache fehlen, sind eine laborchemische Basisdiagnostik und eine Sonographie auf jeden Fall sinnvoll.



Tatort Darmflora

Treten die Bauschmerzen permanent auf (chronisch) oder kommen sie nach beschwerdefreien Phasen immer wieder (chronisch rezidivierend), steht möglicherweise eine Laktoseintoleranz dahinter. Diese Milchzuckerunverträglichkeit kann sich allein oder begleitend im Verlauf einer anderen Erkrankung entwickeln. Grund für die Beschwerden ist ein Mangel an dem Enzym Laktase, das normalerweise den Milchzucker (Laktose) aufspaltet. Der Milchzucker gelangt so unverdaut in tiefere Darmabschnitte und verursacht Gärungsprozesse im Darm. Erst vier bis zehn Stunden nach Laktoseaufnahme werden die Bakterien im Dickdarm aktiv und verstoffwechseln den Milchzucker zu verschiedenen Abbauprodukten wie kurzkettigen Fettsäuren, Milchsäure, Kohlendioxid und Wasserstoff. Das verändert auch die Zusammensetzung der Darmflora. Der Wasserstoff (H2) gelangt über die Darmwand in die Blutbahn, von dort in die Lunge und der Patient atmet ihn aus. Der Nachweis über den H2-Atemtest ist ein wichtiges Instrument zur Diagnose.

Die richtige Diagnose stellen

Klagt ein Kind immer wieder über Bauchschmerzen, ist es hilfreich, wenn die Eltern eine Woche lang genau Protokoll über die Essgewohnheiten ihres Nachwuchses führen und auch die auftretenden Beschwerden dokumentieren. Ein Atemtest führt dann zur sicheren Abklärung der Ursache. Der Laktosetoleranztest, bei dem das Labor den Anstieg des Blutzuckerspiegels bestimmt, wird nur dann angewandt, wenn bei Kindern keine Ausatemluft gewonnen werden kann. Hinweise liefert auch der ethnische Hintergrund, da es hinsichtlich der Laktoseverträglichkeit große Unterschiede in den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gibt. So sind etwa 15-21 Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen, in Nordeuropa sind es weniger, in Südeuropa dagegen mehr. Bei Menschen mit schwarzer Hautfarbe bilden übrigens 60-80 Prozent und in Asien sogar 95-100 Prozent kaum Laktase. Relativ häufig ist in Deutschland die sekundäre Laktoseintoleranz. Das heißt, als Folge von anderen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Zöliakie vertragen die Betroffenen Milchzucker schlecht. Auch nach Infektionen oder der Einnahme von Antibiotika kann es zu einer bakteriellen Fehlbesiedelung mit den Symptomen einer Laktoseintoleranz kommen.Hat der Arzt die Laktoseintoleranz eindeutig nachgewiesen, erhalten die Eltern Empfehlungen für eine laktosearme bis -freie Diät.

Dieser Beitrag ist im UGBforum mit dem Schwerpunktthema
Ernährungstherapie: Das Beste für kranke Kinder erschienen.

Wichtig ist, dass der junge Patient bzw. die Eltern den Verlauf der Beschwerden unter der neuen Ernährungsform notieren. Sinnvoll ist die Hilfe eines Ernährungsberaters, der mit der Familie gemeinsam eine mittel- bis langfristige Ernährungsumstellung entwickelt. Eltern sollten sich Zeit nehmen und ihrem Kind genau erklären, warum es bestimmte Lebensmittel nicht mehr essen darf und ihm aufzeigen, wie viele leckere Alternativen es gibt. Gemeinsam wird anschließend ein verträglicher Speiseplan erstellt. Zunächst sollte das Kind etwa vier Wochen ganz auf Laktose verzichten. Der kleine Patient wird merken, wie das Bauchweh abklingt. Ist das Kind beschwerdefrei, kann es allmählich ausprobieren, wie viel Laktose es verträgt. Dabei sollten zunächst ganz kleine Mengen getestet und diese sehr behutsam gesteigert werden.

Entspannt den Alltag meistern

Von der Unverträglichkeit sollte auch das Umfeld wie Schule oder Freunde informiert werden. In der Kindertagesstätte oder Schulkantine gibt es jedoch oft kein Diätessen. Viele Kinder finden es aber unangenehm, beim gemeinsamen Essen mit den Freunden eine „Sonderration“ zu bekommen. Einfache Regeln helfen, damit das Außer-Haus-Essen keine Bauchschmerzen bereitet. So können Kinder bestimmte Mahlzeitenkomponenten einzeln essen: Reis, Kartoffeln, Nudeln, mageres Fleisch und Fisch sind problemlos. Stehen lassen sollten sie Gerichte mit Soßen, Panaden oder Suppen. Hier versteckt sich häufig Milchzucker. Wird den Betroffenen vermittelt, dass sie bei den Mahlzeiten mit Köpfchen schlau tricksen können, damit ihnen das Essen rundum gut tut, halten sie sich in der Regel auch daran. So dürfen sie beispielsweise sogar baggern: Panaden und Soßen lassen sich prima mit dem Löffel an den Tellerrand schieben. Und sie lernen, mit einem freundlichen Lächeln „Nein“ zu sagen und Unverträgliches abzulehnen. Gelingt es, dem Kind deutlich zu machen, dass es klug i(s)st, wenn es Eigenes wagt und selbst angerührte Soßen in einem Schraubglas mitnimmt, ist viel gewonnen. Hier kann auch eigene Deko wunderbar den Rücken stärken. Einfach eine Serviette oder ein Band in fröhlichen Farben um das Glas wickeln, ein lustiges Kärtchen mit anstecken und sogleich schmeckt es viel besser.

laktoseintoleranz_2.jpg

Eltern sollten sich nicht scheuen, mit dem Anbieter des Schulessens zu sprechen. Möglicherweise gibt das Gespräch den Anstoß, künftig ein Auswahlessen anzubieten. Auf jeden Fall sollten Verantwortliche in Erwägung ziehen, dass es dem Kind im Speiseraum zu laut und zu unruhig ist. Dann fehlt die Konzentration auf das Essen, was ebenfalls zu Bauchweh führen kann. Denn wenn das Kind einer belastenden Situation ausgesetzt ist, kann das Nervensystem des Darms Schmerzsignale senden. Ein Gespräch mit dem Erzieher oder dem Lehrer stärkt deren Sensibilität und meist gibt es eine Rückzugsmöglichkeit in der Mittagspause, am besten natürlich mit einer Freundin oder einem Freund.

Tücken beim Essen umgehen

Schnell eine Fertigwaffel mit Nuss-Nougatcreme auf die Hand für Zwischendurch? Ein gesunder Salat mit Fertig-Fix-Dressing? Ein leckerer Hamburger, ein dickes Eis, ein Riegel Schokolade? Leider nein. All diese Fertigprodukte sind ein beliebtes Versteck für Laktose. Milchzucker steckt auch in Desserts, Brot und anderen Backwaren, Süßigkeiten, Fertigsuppen und -soßen, in Ketchup, Mayonnaise, Klößen, Kartoffelpüree, Kroketten, Fleisch- und Wurstwaren, Boullion und Gewürzmischungen. Die beste Gewähr sind frische und unverarbeitete Lebensmittel. Bei allen anderen gilt es, aufmerksam die Zutatenliste zu lesen. Milchzucker versteckt sich hinter Begriffen wie Laktose, Milch, Sahne, Rahm, Joghurt, Magermilchpulver, Molke oder Molkenpulver. Wichtig ist es, trotz der Unverträglichkeit das Essen abwechslungsreich zusammenzustellen, denn Kinder haben einen besonders hohen Nährstoffbedarf.

Milch und Milchprodukte sind sehr gute Quellen für Calcium und spielen auch für die Jod- und Vitamin-D-Versorgung eine entscheidende Rolle. Beim Griff zu laktosefreien Milchsorten und entsprechenden Milchprodukten, die von verschiedenen Herstellern angeboten werden, sollte daher auf einen entsprechenden Zusatz geachtet werden. Auch pflanzliche Drinks aus Soja, Reis, Hafer, Mandel oder Dinkel mit Calciumzusatz, Sojajoghurt und andere Produkte auf pflanzlicher Basis sind zu empfehlen. Milchsaure Produkte, Schnitt- und Hartkäse sind meist gut verträglich. Joghurt enthält Bakterienstämme, die den Milchzucker aufspalten und zudem die Regeneration der Darmflora fördern. Bei einer laktasearmen Diät kann er vorsichtig löffelweise probiert werden.

Nährstoffe sichern und Darmflora stärken

Weitere Calciumquellen sind grüne Gemüsesorten und Kräuter, die gleichzeitig die Darmflora unterstützen. Ein Kräutertopf in der Küche lädt zum Schnuppern ein. Möglichst zu jeder Mahlzeit sollte Kindern mit oder ohne Laktoseintoleranz Obst und/oder Gemüse angeboten werden. Unterstützend für die Darmgesundheit wirken auch die geriebene Schale einer Bio-Zitrone oder -Orange. Dazu die Frucht vor dem Reiben heiß abwaschen und abtrocknen. So lassen sich pikante und süße Speisen aufpeppen. Kräutertees können ebenfalls regenerierend auf die Darmflora wirken. Im Frühjahr und Sommer schmeckt zum Beispiel ein selbst aufgebrühter Tee aus frisch gepflückten Gänseblümchen in Kombination mit getrocknetem Lemongras toll. Die Gänseblümchen heiß abspülen und für eine Tasse Tee etwa einen Teelöffel verwenden, dazu nach Belieben einen halben Teelöffel Lemongras zufügen.

Wichtig ist den Kindern zu vermitteln, dass eine laktosefreie bzw. laktosearme Ernährung genauso köstlich und ausgewogen zusammengestellt werden kann wie eine normale. Auch Eltern sollten möglichst positiv an den veränderten Speiseplan herangehen. Er bietet spannende Möglichkeiten, Neues auszuprobieren und das Thema Essen nicht nur gesund, sondern vor allem interessant zu gestalten.

Das Kind stark machen

Eltern beeinflussen mit ihrem ganzen Auftreten, ihren Äußerungen und ihren Formulierungen ihr Kind. Auf all diesen Kommunikationswegen sollte dem Kind vermittelt werden: „Wir schaffen das, bald geht es dir besser“. Dazu gehört es, positive Ausdrücke zu benutzen, wie „Gut, dass wir jetzt wissen, was dir Bauchweh macht.“, oder „Diese Lebensmitteln tun dir gut“. Das Kind sollte auch bestärkt und gelobt werden, wenn es die Diät einhält, wenn es mitdenkt und beispielsweise die Lebensmittel­etiketten liest. Eine wohltuende Atmosphäre bei Tisch mit Ruhe und optischen Anreizen verstärkt den Genuss beim Essen. Nicht zuletzt gibt Körperkontakt der Seele Kraft und zeigt dem kranken Kind, dass es trotz der Erkrankung geliebt und wertgeschätzt wird. Bei Bauchweh ist es immer auch eine besondere Zuwendung, wenn der kleine Patient eine liebevolle Bauchmassage bekommt.

Quelle: Schulz S: UGB-Forum 3/14, S. 116-119
Fotos : elisabetta figus/Fotolia.com, TK-Pressefoto