So schmeckt es der ganzen Familie

Die Familie für Vollwertkost zu gewinnen, ist nicht immer leicht. Einige glauben, Körner seien nur etwas für pickende Hühner, und andere weigern sich, braune Nudeln zu akzeptieren. Doch kommen solche Einwände meist von Menschen, die die Vollwertküche gar nicht kennen. Am besten überzeugt, wer mit leckeren Gerichten und ohne erhobenen Zeigefinger aufwartet.

Vollwertkost

Viele Menschen leben und lieben die Vollwertküche und stecken dabei auch andere an. Leider gibt es aber immer noch Menschen, in deren Köpfen fest programmiert ist: "Was gesund ist, kann nicht schmecken". Werbung und Medien unterstützen solche Vorurteile. Diese Einwände gilt es auszuräumen und ungünstiges Ernährungsverhalten durch eine moderne und genußvolle Vollwertküche zu ersetzen. Kein Familienmitglied muß deshalb auf etwas verzichten, sondern kann sogar ganz neue Geschmackserlebnisse erfahren. Über das Aussehen, den Geruch und den guten Geschmack können andere überzeugt werden, nicht durch straffe Regeln und Verbote. Wird die Vollwertküche über eine etwas längere Zeit praktiziert, dann spricht zusätzlich noch das gute Befinden für die neue Kost. Sicherlich, Vollwertkost ist nicht gleich Vollwertkost. Sie schmackhaft zuzubereiten ist genauso schwer bzw. leicht, wie konventionell zu kochen. Mit etwas Übung und Erfahrung kann sich jedoch jeder in die Kochkunst einarbeiten.

Vollwertkost: Leckere Gerichte überzeugen

Vollwert-Ernährung bietet den großen Vorteil, daß individuelle Vorlieben berücksichtigt werden können. Fast jedes Gericht der konventionellen Küche läßt sich vollwertig zubereiten. Auch beliebte internationale Speisen, von Chinesischer Reispfanne bis Pizza, haben in der Vollwertküche ihren Platz. Diese Vielfalt ist die ideale Voraussetzung dafür, die Vollwert-Ernährung erfolgreich in der Familie einzuführen. Dabei muß immer bedacht werden, daß das Hauptproblem bei der Ernährungsumstellung in aller Regel ein psychologisches ist, welches aber - sobald es bewußt ist - leicht gelöst werden kann.

Ob Vollwertkost von den anderen Familienmitgliedern akzeptiert wird, hängt wesentlich von der inneren Einstellung ab.

Ganz wichtig ist, daß derjenige, der die Nahrung für die Familie zubereitet, selbst von der Sache überzeugt ist. Kommen beim Kochen bzw. beim Servieren oder Verzehr Zweifel auf, ob es den anderen wohl schmeckt, lehnt die Familie das Essen eher ab. Gedanken, wie "gut, daß ich noch etwas Normales gekocht habe", führen kaum zum Ziel. Strahlen Sie aber Sicherheit aus und schwärmen von Ihrem Gericht, wird die Familie eher neugierig. Daß Sie ein vollwertiges Gericht gekocht haben, müssen Sie gar nicht an die große Glocke hängen. Da die Unterschiede zwischen der Vollwert-Ernährung und der herkömmlichen Kost gar nicht so groß sind, wie viele glauben, kann die Umstellung fast unbemerkt vor sich gehen. Ungünstig ist es, alles auf einmal verändern zu wollen und zu verkünden: "Jetzt wird alles anders". Viele Menschen haben dann Angst, daß ihnen etwas ganz Persönliches weggenommen wird, und stehen Neuerungen von vornherein ablehnend gegenüber. Sinnvoller ist es, weniger dogmatisch vorzugehen. Das heißt, alles zu erlauben, aber z. B. zu Süßigkeiten oder großen Fleischportionen immer vollwertige Alternativen anzubieten.

Checkliste für eine gesunde Vollwertkost

Gemüse: eine Hauptmahlzeit aus erhitztem Gemüse und mehrmals frisches, rohes Gemüse zwischendurch oder als Salat

Obst: ca. 2-3 Stücke von der Größe eines Apfels als Zwischenmahlzeit oder als Nachtisch

Getreide: möglichst aus vollem Korn in Form von Brot,Beilagen, Bratlingen oder Müsli

Milchprodukte: frische Vollmilch, Sauermilchprodukte wieJoghurt, Kefir oder Dickmilch Wenn Sie jeden dieser Bausteine bei den täglichen Mahlzeiten berücksichtigen, sind Sie und Ihre Familie gut versorgt, und die Umstellung auf eine vollwertige Ernährung ist so gut wie geschafft.

Umstellung auf Vollwertkost: Mit Frischkost fängt es an

Sie sollten nicht alles von heute auf morgen verändern. Eine solche Umstellung hätte den Charakter einer Diät, und erfahrungsgemäß dauert eine Diät nicht lange. Je langsamer die Ernährung verändert wird, desto selbstverständlicher fügt sie sich in den Tagesablauf ein. Günstig ist es, zunächst den Anteil der Frischkost zu steigern. Dies ist schon allein aus psychologischen Gründen ganz wichtig, um dem Vorurteil "Vollwertkost gleich Körnerkost" entgegenzuwirken. Zu jeder Mahlzeit sollte es etwas frisches Gemüse oder Obst geben. Zum Frühstück ein paar Pflaumen oder einen Apfel, zum Mittagessen Salat als Vorspeise und am Abend vielleicht eine Frischkostplatte. Kinder mögen Gemüse besonders gern als Sticks oder auf einem Spieß mit leckerem Dip dazu. Auch als Pausensnack hat sich kleingeschnittenes Gemüse bewährt. Süßes Obst ist eine Alternative zu Süßigkeiten und sollte immer ausreichend zur Verfügung stehen. Oft vergessen Kinder dann ganz, nach Schokolade oder Keksen zu fragen.

Als nächster Schritt kann die Fettmenge reduziert werden. Relativ einfach ist dies bei den sichtbaren Fetten, wie Butter als Brotbelag. Schwieriger wird es bei den versteckten Fetten in Süßigkeiten, Fleisch, Wurst, Käse und Saucen. Hier heißt es, schmackhafte Alternativen herauszufinden. Dies kann zum Beispiel Wurst oder Käse in einer niedrigeren Fettstufe oder ein selbst hergestellter Aufstrich aus Gemüse sein. Aufläufe schmecken auch mit Milch statt mit Sahne, und statt fettem Käse eignet sich auch saure Sahne oder Sesam zum Überbacken. Nicht zu fette Kuchen gelingen mit Hefe- oder Strudelteig gut.

Vollwertkost: Vollkornanteil langsam steigern

Wenn Sie den Frischkostanteil erfolgreich erhöht und den Fettverzehr eingeschränkt haben, können Sie damit beginnen, vermehrt Vollkornprodukte einzusetzen. Hier ist es sehr wichtig, langsam vorzugehen. Der Darm benötigt eine gewisse Zeit, sich auf die vermehrten Ballaststoffe einzustellen. Wenn sich das Auge und der Gaumen an die würzigen Lebensmittel aus vollem Korn gewöhnt haben, will sie bald keiner mehr missen. Zunächst können beispielsweise morgens helle Brötchen und abends Vollkornbrot auf den Tisch kommen. Für diejenigen, die selbst Brot backen, gibt es die Möglichkeit, das Mehl zu mischen und mit der Zeit den Vollkornanteil immer mehr zu steigern. Bei Kuchen und Keksen ist es empfehlenswert, ganz neue Rezepte zu verwenden, da die Imitation des Lieblingskuchens mit Vollkornmehl höchstwahrscheinlich mit einer Enttäuschung endet. Probieren Sie am Anfang Haselnußkuchen oder Mandelplätzchen aus. Durch den hohen Nußanteil und dessen dunkle Farbe sieht das Gebäck fast wie gewohnt aus und schmeckt kaum anders als mit Auszugsmehl. Vollkornreis und -nudeln können Sie anfangs auch sehr gut mit der weißen Variante mischen. Dadurch sehen die Mahlzeiten sogar noch appetitlicher aus.

Vollwertkost: Natürliche Süße statt Gummibärchen und Schokolade

Als nächster Schritt der Umstellung bietet sich an, den Zuckerkon-um zu reduzieren. Besonders süße Getränke, wie Cola, Limonade und der gerade im Sommer immer beliebter werdende industriell hergestellte Eistee, schrauben den Zuckerkonsum bei vielen Kindern enorm hoch. Besser sind Mineralwasser, Apfelsaftschorle und andere verdünnte Fruchtsäfte oder selbstgemachter ungesüßter Tee. Bunte Früchtetees mit einem Schuß Saft kommen bei den Kleinen besonders gut an. Ein leckerer Tee-Saft-Punsch mit Fruchtstückchen in einer ausgehöhlten Melone serviert, ist der Renner auf jedem Kindergeburtstag. Auch die meisten industriell gefertigten Milchprodukte wie Fruchtjoghurts oder Quarkspeisen enthalten reichlich Zucker. In der Naturvariante, mit frischen Früchten ergänzt, kommen sie ohne Süßungsmittel aus und schmecken dazu noch besser.

Kinder von Süßigkeiten fernzuhalten ist unmöglich. Werbung und das riesige Angebot in den Geschäften verführen zum Naschen ebenso wie die liebgemeinte Tafel Schokolade von den Großeltern. Verbote nützen hier wenig. Sie fördern nur das Naschen hinter dem Rücken der Eltern. Wirksamer ist es, eine zwanglose, freiwillige Beschränkung einzuüben und natürlich süße Alternativen wie frisches Obst oder Trockenfrüchte anzubieten. Versuchen Sie es einmal mit etwas Ausgefallenem, wie getrockneten Äpfeln oder Aprikosen mit gerösteten Kichererbsen; beliebt sind auch Traubenspieße, Nüsse oder Studentenfutter, eventuell mit kleingeschnittenen Äpfeln oder Birnen ergänzt. Auf keinen Fall sollten Sie Ihrem Kind Süßes als Belohnung oder Trostpflaster geben. Kummerspeck hat in dieser Art der Problemlösung häufig seine Ursache. Geben Sie Ihrem Kind als Belohnung lieber mehr Zuwendung, indem Sie z. B. eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen, und schlagen Sie Verwandten vor, als Geschenk besser ein Buch oder Spielzeug mitzubringen.

Ist Vollwertkost fleischlos? - Nicht immer, aber immer öfter

Als letzten Schritt der Umstellung können Sie versuchen, den Verzehr von tierischen Lebensmitteln einzuschränken. Wenn die Fleisch-portionen nach und nach kleiner werden und gelegentlich Gerichte ohne Fleisch auf den Tisch kommen, gewöhnt sich die Familie leichter daran. Außerdem können Wurst und Käse dünner geschnitten werden, z. B. mit einem Käsehobel, und mit alternativen Brotaufstrichen abgewechselt werden. Sehr gut ist es schon, wenn nur noch ein- bis zweimal pro Woche Fleisch verzehrt wird und das Hauptaugenmerk auf dem Gemüseanteil und den sogenannten Nährmitteln liegt, wie Kartoffeln oder Nudeln.

Kinder können an der Erstellung des wöchentlichen Speiseplans teilnehmen und zum Beispiel ein Lieblingsessen auswählen. Was die Kleinen selbst vorgeschlagen haben, essen sie auch lieber. Lassen Sie Ihren Nachwuchs bei der Zubereitung der Speisen mitwirken, beispielsweise Keimlinge selbstziehen, Frischkost raffeln oder Teig rühren und kneten. Bei der Auswahl des Pausenbrots sollten Sie die Trends der Kids berücksichtigen. Das heißt, wenn gerade Pitabrot in der Schule "in" ist, können Sie dieses aus Vollkornfladen mit Gemüse gefüllt vollwertig herstellen. Damit das Pausenbrot appetitlich bleibt, sollte es möglichst frisch sein und mit einem Salatblatt oder Gurken- und Tomatenscheiben aufgepeppt werden. Alternativ können die einzelnen Zutaten auch getrennt mitgenommen werden. So kann für ein Müsli Joghurt und Obst bereits vermischt sein, die Flocken kommen dann aber erst kurz vor dem Verzehr hinzu.

Auch das Auge will bedient sein

Die Pausenmahlzeiten sollten, wie die Mahlzeiten zu Hause, möglichst schön angerichtet sein. Verpackt in der Lieblingsbrotdose mit einer bunten Serviette schmeckt es gleich viel besser. Zuhause sorgen ein Blumenstrauß oder eine Kerze auf dem Tisch für Atmosphäre und damit auch für mehr Bereitschaft, nicht so vertraute Nahrungsmittel zu probieren. Für Familienmitglieder, die nicht an der gemeinsamen Mahlzeit teilnehmen können, sind appetitlich angerichtete Speisen besonders wichtig. Salate sollten nicht gemeinsam mit den übrigen Bestandteilen der Mahlzeit auf einem Teller aufbewahrt, sondern erst kurz vor dem Verzehr angerichtet werden. Sinnvoll ist es, bei den Komponenten einer Mahlzeit auch auf die Farbzusammenstellung zu achten, denn das Auge ißt bekanntlich mit. Braune Getreidegerichte können durch farbige Gemüse oder Kräutersaucen ergänzt und grüne Gemüse mit gelben oder roten gemischt werden.

Die schrittweise Umstellung auf Vollwertkost sollte so langsam wie möglich erfolgen.

Erst wenn ein Schritt selbstverständlich geworden ist, ist es sinnvoll, mit dem nächsten zu beginnen. Dies hat den Vorteil, daß Sie sich nur auf eine Sache konzentrieren müssen und die Familie die Veränderung nicht als zu kraß empfindet. Außerdem motivieren kleine Erfolge eher zum Weitermachen als jede Enttäuschung darüber, sein Ziel nicht erreicht zu haben. Es ist völlig ausreichend, wenn Sie die Umstellung innerhalb von zwei Jahren durchführen.

LITERATUR:
CRAMM, D.v.: Was kleine Kinder gerne mögen. Gräfe und Unzer, München 1991
MÄNNLE, T.: Ernährung erfolgreich umstellen. In: UGB-FORUM, 1/13. Jg., S. 42-44, 1996
REITER, S.: Vollwertkost für Kinder. Falken, Niedernhausen 1988
VERBRAUCHER-ZENTRALE (Hrsg.): Bärenstarke Kinderkost. Düsseldorf 1994

Quelle: Gätjen, E.: UGB-Forum 5/97, S. 246-249

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Küchenpraxis leicht gemacht
Mit Kindern essen – Theorie und Praxis