Kochen zwischen Orient und Okzident

Türkisch essen in Deutschland heißt in der Regel Döner Kebap und Fladenbrot. Doch spätestens nach einem Urlaub in der Türkei weiß man, daß die türkische Küche mehr zu bieten hat als Fleisch vom Spieß. Immerhin gilt die Türkei als dritte große Nationalküche, direkt hinter Frankreich und China.

Gutes Essen hat in der Türkei eine lange Tradition. Als im 16. Jahrhundert das osmanische Reich an Größe und Wohlstand gewann, entwickelten die Herrscher Lust an eleganten Sitten und Speisen. Die Küche wurde zunehmend ein wichtiges Element im sozialen Leben der führenden Schichten. Gute Köche konnten großen Wohlstand und Ruhm erreichen, wenn sie den Gaumen des Sultans überzeugten. Die ersten Köche waren vielfach griechische und armenische Sklaven, die im Krieg gefangen oder auf dem Markt gekauft wurden. Sie brachten ihre Kochkünste aus ihren Herkunftsländern, dem Balkan und Eurasien, mit. Später entwickelte sich in der Türkei die Kochkunst als eigenständiges Berufsbild. Besonderen Ruhm erwarb dabei die Region Bolu in Zentralanatolien, die noch heute den Ruf hat, die besten Köche des Landes hervorzubringen.

Spezialitäten aus dem Morgen- und Abendland

Als Schnittstelle zwischen Orient und Okzident erhielt die Türkei kulinarische Einflüsse aus den verschiedensten Ländern. In Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, kreuzten sich die wichtigsten Handelswege zwischen Europa und Asien. Die Vertreter und Einwanderer aus aller Herren Länder brachten Tee, Reis und Gewürze sowie ihre landestypischen Eßgewohnheiten in die Stadt. Aus dieser bunten Mischung entwickelte sich eine ganz eigene Eßkultur, die vor allem für ihre raffinierten Süßspeisen und die vielfältigen Gemüsezubereitungen berühmt ist.

Joghurt in allen Variationen

Besonders typisch für die türkische Küche ist der Joghurt, den Einwanderer aus dem Balkan mitbrachten. Als Getränk, in Suppen, Saucen oder in Nachspeisen wird Joghurt warm und kalt, süß und salzig genossen. Nicht wegzudenken ist auch Schafskäse, der sowohl zu Salat und Brot als auch zum Kochen verwendet wird. Ansonsten ist nur noch ein milder Schnittkäse üblich, andere Milchprodukte sind kaum verbreitet. Ebenfalls weltberühmt sind die Pilav- oder Pilau-Gerichte, eine bunte Mischung aus Getreide, Gewürzen und Nüssen. Während in den städtischen Gebieten vorwiegend Reis als Grundlage dient, bevorzugen die Haushalte auf dem Land Bulgur. Teilweise dämpfen und trocknen die Bauersfrauen diesen groben Weizenschrot noch selbst. Eine weitere Spezialität sind die knusprigen Börek-Gebäcke. Der dünne Blätterteig wird mit allerlei Herzhaftem wie Hackfleisch, Schafskäse und Spinat gefüllt. Für die süße Variante sind Trockenfrüchte und Pistazien als Füllung beliebt.

Obst und Gemüse satt

Die Gemüseauswahl in der Türkei ist riesig. An den warmen und sonnigen Küsten kann das ganze Jahr über frisch geerntet werden. Am beliebtesten sind mediterrane Gemüse wie Tomaten, Auberginen, Paprika, Zwiebeln und Knoblauch. Aber auch Kohl, Möhren, Spinat und vieles mehr findet sich auf jedem Wochenmarkt. Gemüse wird in der Türkei reichlich und praktisch zu jeder Mahlzeit gegessen - angefangen von Tomaten und Oliven zum Frühstück über Gemüsesuppen zum Mittagessen bis zu gefülltem, gegrilltem oder überbackenem Gemüse zum Abendbrot. Ein frischer Salat gehört sowieso zu jedem Essen dazu. Hauptzutaten sind Tomaten, Gurken, Paprika, Zwiebeln und Weißkohl. Auch unterwegs müssen die Türken auf Gemüse nicht verzichten. In den Städten bieten Händler fast an jeder Ecke frisch gekochte Maiskolben, geschälte Gurken oder sauer eingelegte Gemüse an. Neben Reis, Bulgur und Brot dienen Hülsenfrüchte als sättigende Zutat. Linsen in allen Variationen, weiße Bohnen und Kichererbsen sind Grundlage vieler Gerichte. Zart auf der Zunge zergehen beispielsweise in Öl und Knoblauch eingelegte weiße Bohnen oder fein gewürztes Kichererbsenmus, Humus genannt.

Ein Tütchen Kürbiskerne ist immer dabei

Beliebte Zutaten sind auch Nüsse und Samen. Nicht umsonst ist die Türkei der weltweit größte Exporteur für Haselnüsse. Geröstete und gesalzene Pistazien, Sonnenblumen- und Kürbiskerne kann man an jedem Straßenstand kaufen. Sie werden als Snack gerne zwischendurch genascht. Pistazien, Sesam und Nüsse kommen auch an herzhafte Gerichte, aber vor allen Dingen an Backwaren und Süßigkeiten. Süße Hefeschnecken mit Sesammus oder mit Pistazien gefüllter Blätterteig gehören zu den Spezialitäten der türkischen Küche.

Frische Blattpetersilie darf in keinem Haushalt fehlen. Die aromatischen Blätter würzen Salate, eingelegte Gemüse und herzhafte Suppen. Neben Petersilie sind auch Dill, Minze, Lorbeer, Thymian und Oregano beliebt. Gewürzt wird hauptsächlich mit Kreuzkümmel, Piment, Paprika, Zimt, Nelke und Muskat. Chili und andere scharfe Gewürze sind eher die Ausnahme. Im Gegensatz zu ihren arabischen Nachbarn schmecken Türken ihre Gerichte relativ mild ab. Um frische Säure an das Essen zu bringen, wird neben Essig auch Sumak verwendet, ein dunkelrotes Granulat aus getrockneten Sumak-Beeren. Als Fett dominiert Olivenöl, das in großen Mengen zum Einlegen, Andünsten und Braten verwendet wird. Butter kommt vor allem an Backwaren. Trotz des hohen Fettverzehrs sind Herz-Kreislauferkrankungen in der Türkei seltener als bei uns. Experten führen das auf die günstige Fettsäurenzusammensetzung des Olivenöls und den hohen Obst- und Gemüseverzehr zurück. Wenn Sie Originalrezepte nachkochen, sollten Sie dennoch versuchen, die Fettmenge zu reduzieren. Die Hauptmahlzeit in der Türkei wird in der Regel abends mit der ganzen Familie eingenommen. Sie kann sich mehrere Stunden hinziehen; zwischen den zahlreichen Gängen wird viel geredet und gelacht. Etwas Obst und ein kleiner türkischer Mokka runden das Mahl ab.

Genuß steht an oberster Stelle

Zu den Mahlzeiten wird in der Regel Leitungswasser getrunken. Im Sommer ist als Erfrischung Ayran beliebt, eine Mischung aus Joghurt, Eiswasser und etwas Salz. Starker schwarzer Tee, meist mit reichlich Zucker gesüßt, wird in kleinen Gläsern zu jeder Tageszeit getrunken. Größere Firmen haben meist einen extra Teekoch, kleinere Betriebe bekommen mehrmals täglich frisch aufgegossenen Tee vom Café nebenan geliefert. Für ein genußreiches Mußestündchen mit Tee findet man in der Türkei immer Zeit. Auch sonst stehen Genuß und Geselligkeit beim Essen hoch im Kurs.

Zutaten für die türkische Küche bekommt man bei uns in den zahlreichen türkischen Lebensmittelgeschäften. Insbesondere spezielle Gewürze, tiefgefrorenen Börek-teig, verschiedene Paprikasorten und eingelegte Gemüse sind woanders schwer erhältlich. Alle übrigen Zutaten wie Bulgur, Petersilie, Kichererbsen und Joghurt finden Sie in jedem Naturkostladen.

Vorspeisen-Tafel

Die Bewirtung von Gästen ist eine beliebte gesellschaftliche Aufgabe. Bei festlichen Angelegenheiten wird man häufig zu sogenannten Raki-Tafeln eingeladen. Dabei kommen unzählige kleine Vorspeisen wie gefüllte Weinblätter, eingelegte Tomaten oder Humus auf den Tisch. Dazu wird Raki gereicht, ein scharfer Anisschnaps, der meist mit Wasser verdünnt wird. Sich zu betrinken gilt als abstoßend, deshalb wird an dem hochprozentigen Getränk nur in kleinen Schlückchen genippt.

Quelle: Böttner, B.: UGB-Forum 2/99, S. 89-92


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