Glutamat: Harmlos oder Nervengift?

Er steckt in asiatischem Essen, in Fertiggerichten, Kartoffelchips oder Würzsoßen. Sogar naturbelassene Lebensmittel enthalten den Geschmacksträger Glutamat. Kritiker vermuten, dass der Stoff Nervenkrankheiten wie Alzheimer und Parkinson fördert.

Glutamat

Glutamat wird zwar nach wie vor als Geschmacksverstärker bezeichnet, doch das ist eigentlich falsch.

Japanische Wissenschaftler haben mittlerweile herausgefunden, dass das weiße Pulver selbst einen Geschmack hat. Umami, auf deutsch "köstlich", wird das pikante, würzige und bouillonartige Aroma in Japan genannt. Als Natriumglutamat wird es unter anderem pikanten Fertig- und Tiefkühlgerichten, Tütensuppen, Gewürzmischungen, Salat- und Würzsoßen zugesetzt. In asiatischen Ländern steht es sogar als Würzmittel auf dem Tisch. In die Kritik geraten ist Glutamat in den 70er Jahren durch das so genannte "Chinarestaurant-Syndrom". Immer wieder litten Menschen nach dem Genuss chinesischen Essens an Kribbeln oder Taubheit in Nacken, Armen und Rücken, Schwächegefühl und Herzklopfen. Als Auslöser der Beschwerden wurde der Geschmacksverstärker verdächtigt, der in der chinesischen Küche seit knapp 100 Jahren verwendet wird. Interessanterweise traten die Symptome überwiegend bei Amerikanern und Europäern auf, in China und Japan selbst ist die Unverträglichkeit so gut wie unbekannt. Dabei verbrauchen Asiaten rund 80 Prozent des weltweit produzierten Glutamats. In den vergangenen 30 Jahren wurde das Chinarestaurant-Syndrom in mehreren Studien überprüft. Insbesondere Doppelblindversuche, bei denen die Versuchspersonen nicht wussten, ob sie Glutamat erhielten, konnten keinen Zusammenhang zwischen Beschwerden und der Aufnahme an Glutamat belegen. Lediglich bei sehr hohen Mengen zwischen drei und fünf Gramm auf nüchternen Magen zeigten sich vereinzelt Unverträglichkeitsreaktionen, die allerdings statistisch nicht gesichert waren.

Glutamat: Gift für die Nerven?

Glutaminsäure bzw. ihre Salze, die Glutamate, kommen auch natürlicherweise in vielen Lebensmitteln vor, z. B. in Käse oder Tomaten. Auch der Körper selbst bildet täglich erhebliche Mengen der wichtigen Aminosäure. Natürliches freies Glutamat und das als Geschmacksverstärker eingesetzte Mononatriumglutamat werden vom menschlichen Körper gleich gut aufgenommen und verstoffwechselt. Die Aminosäure wird als Ausgangsstoff körpereigener Proteine benötigt und spielt als Botenstoff im Gehirn eine wichtige Rolle. Als Neurotransmitter ist Glutaminsäure unter anderem an der Schmerzübertragung, am Körperwachstum, an der Gewichtsregulierung und an der Appetitsteuerung beteiligt. Die Zellen des Gehirns produzieren die benötigte Glutaminsäure selbst. Das über die Nahrung zugeführte Glutamat kann die Blut-Hirnschranke nicht passieren, so lautet jedenfalls die Meinung der gängigen Wissenschaft. Selbst bei einer glutaminsäurereichen Ernährung konnten keine erhöhten Konzentrationen im Gehirn festgestellt werden.

Kann Glutamat die Blut-Hirnschranke überwinden?

Kritiker sind da anderer Ansicht. Ihrer Meinung nach ist die Blut-Hirnschranke nicht vollkommen dicht, sondern kann beispielsweise bei Erkrankungen wie Hirnhautentzündung, Alzheimer oder inneren Blutungen gestört sein. Bei einem Schlaganfall wird z. B. aus den Gehirnzellen Glutamat freigesetzt, das diese Zellen zerstören kann. Auch im Tierversuch konnten Wissenschaftler den zerstörenden Effekt aufs Gehirn beobachten. Aus diesem Grund wird Glutamat von kritischen Stimmen auch als Nervengift bezeichnet. So hält der Heidelberger Alzheimerforscher Professor Konrad Beyreuther einen Zusammenhang zu Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson für möglich. Eine schädigende Wirkung trete allerdings nur auf, wenn extrem hohe Dosen auf die Gehirnzellen einwirkten. Und dies ist beim gesunden Menschen selbst bei glutaminsäurereicher Ernährung unter anderem aufgrund der Blut-Hirnschranke äußerst unwahrscheinlich. Bei einer Störung des Gehirnstoffwechsels ist eine Schädigung jedoch zumindest denkbar.

Welche Glutamat-Dosis ist gefährlich?

Im Durchschnitt nimmt ein Mitteleuropäer nur etwa 0,3-0,5 Gramm Glutamat pro Tag als Geschmacksverstärker auf. Allein aus Gemüse, Käse und Wurstwaren verzehren wir rund ein Gramm des natürlicherweise vorkommenden freien Glutamats. Nur die freie Form besitzt übrigens die geschmacksverstärkende Wirkung.

Dieser Beitrag ist
im UGBforum,
dem Fachmagazin für nachhaltige Ernährung erschienen.
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Spitzenreiter sind Roquefortkäse mit 1280, Parmesan mit 1200, Sojasoße mit 1090, Pilze (Dose) mit 240 und Tomaten mit 140 Milligramm pro 100 Gramm. Zusätzlich kommen rund 10-20 Gramm natürliches, an Proteine gebundenes Glutamat auf den Tisch und etwa 50 Gramm bildet der Körper täglich selbst. Je nach Verzehrsgewohnheiten kann die Aufnahme an Glutamat bei einzelnen Personen allerdings deutlich höher liegen. Wer regelmäßig Brühwürfel, Hefeextrakte und Tütensuppen verwendet oder täglich Pizza und Kartoffelchips futtert, kommt leicht auf Mengen über 1 Gramm pro Tag. Aber selbst mit einer glutamatreichen Kost erreichen wir lediglich die Mengen, die in asiatischen Ländern üblich sind. Rund 1,2-1,7 Gramm an Geschmacksverstärker werden dort im Schnitt am Tag verspeist. Und von einer besonderen Häufung von Alzheimer oder Parkinson in China oder Japan ist nichts bekannt, auch wenn die Erkrankungsrate dort wie in den westlichen Ländern ansteigt.

Behörden geben Entwarnung: Schädlichkeit von Glutamat nicht bewiesen

Aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage geben verschiedene nationale und internationale Expertengremien wie die FAO und der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der EU Entwarnung: Ein schädlicher Einfluss von freiem Glutamat auf den Menschen sei nicht nachzuweisen und der Einsatz als Geschmacksverstärker daher unbedenklich. Trotzdem fordern die Experten weitere große Doppelblind-Studien. Fakt ist, dass einzelne Personen sensibel auf Glutamat reagieren. Auch schwer Asthmakranke weisen möglicherweise eine besondere Glutamat-Empfindlichkeit auf.Wer keine Unverträglichkeit auf glutamathaltige Speisen zeigt, für den wird der gelegentliche Genuss von Fertigsuppen oder Kartoffelchips sicher keine Folgen haben. Vor der Aufnahme größerer Mengen ist allerdings abzuraten, insbesondere Kindern und Jugendlichen. Zum einen aus kulinarischen Gründen. Denn wer sich regelmäßig dem Einheitsgeschmack von Glutamat aussetzt, verliert die Sensibilität für das natürliche Aroma von Lebensmitteln. Zudem soll der Geschmacksverstärker den Appetit anregen und kann so möglicherweise zu Übergewicht beitragen. Bedenklich stimmen sollte auch, dass sich die Glutamatproduktion und damit der Verzehr seit den 70er verfünffacht hat.

Quelle: Dittrich, K.: UGB-Forum 2/04, S. 100-101