Süßigkeiten von morgens bis abends - davon träumen viele Kinder. Die jungen Feinschmecker zu mehr Obst und Gemüse zu motivieren ist nicht immer einfach. Mit einem offenen Erziehungsstil und gutem Vorbild erreichen Eltern am meisten - Gesunde Kinder durch gesundes Essen.
Nach der vierten Stunde ist für Lina die Schule aus. Die Zehnjährige geht den kurzen Weg zu Fuß nach Hause. Als sie in eine Seitenstraße einbiegt, läßt sie schnell ihr Pausenbrot in einem Abfallkorb verschwinden. Danach steuert sie zielstrebig den nächsten Kiosk an. Wenige Minuten später kommt sie kauend wieder heraus; in der Hand einen Schokoriegel und in der Jackentasche ein Fruchtgetränk. Als Linas Mutter herausbekommt, daß Lina ihr Pausenbrot wegschmeißt und ihr Taschengeld regelmäßig für Süßigkeiten ausgibt, ist sie verärgert und fühlt sich hintergangen. Sie ist mit ihrer Weisheit am Ende. Wie oft hat sie Lina schon erklärt, daß das Zeug ungesund ist.
Durch ihren Erziehungsstil bestimmen Eltern daher wesentlich das Ernährungsverhalten ihrer Kinder: Eltern können die Lebensmittelmenge und die Vielfalt des Essenangebots beeinflussen. Sie können das gewünschte Ernährungsverhalten vorleben und die Kinder bei der Umsetzung unterstützen. Sie können die Eßwünsche und Signale des Kindes beachten oder aber Konflikte mit Lebensmitteln lösen.
Durch ihr Verhalten geben Eltern dem Kind mehr oder weniger deutliche Zeichen. Wenn das Kind nur selten frei entscheiden kann und immer seinen Teller leer essen muß - sprich, wenn ein dirigierender Erziehungsstil vorherrscht und Lebensmittel zur Belohnung oder Bestrafung eingesetzt werden, kann dies zu Störungen im Ernährungsverhalten des Kindes führen. Besteht zwischen Eltern und Kind dagegen eine offene Gesprächskultur und wird das Kind als eigene Person wertgeschätzt, wirkt sich das positiv auf dessen Selbständigkeit aus. Leben die Eltern zudem eine gesundheitsbewußte Lebensweise undogmatisch vor, wird das Kind dieses Verhalten viel eher übernehmen. Es lernt sozusagen am Modell.
Trotz der vielen Konflikte beim Einkaufen und mancher Eßeigenarten der Kinder, bestimmen dennoch vor allem die Eltern, was eingekauft wird. Abgesehen davon, daß Lina keine Äpfel mag, ist es von dem Einkaufsverhalten der Mutter (und natürlich vom Haushaltsgeld) abhängig, ob es zu Hause eine Obstschale gibt. Da die Eltern letztlich das Nahrungsmittelangebot in der Familie auswählen, sind sie die effektivere Zielgruppe für die klassische Ernährungsaufklärung. Kinder möchten nicht mit dem erhobenen Zeigefinger gesagt bekommen, was sie essen bzw. nicht essen sollen. Sie sind neugierig und haben Spaß daran, Neues zu entdecken und auszuprobieren. Aus diesem Grund brauchen Kinder erlebnis-orientierte Förderangebote: Geschmackstests, Phantasiereisen, Hilfen bei der Handhabung von Konflikten sowie Bewegungs- und Entspannungsspiele. Verzichten Sie möglichst auf Negatives wie "Du darfst nicht!"; unterstützen Sie das Positive, die Vielfalt, den Spaß und das Spiel.
Jetzt ist Lina an der Reihe. Natürlich ist es für sie nicht einfach, nach der Mutter ihre eigene Geschichte zu erzählen. Vielleicht ist es sinnvoll, zunächst mit beiden getrennt zu sprechen. Dazu ist in der konkreten Situation Fingerspitzengefühl erforderlich. Lina erzählt: "Julia hat immer diese Frühstückchen mit, Lara trinkt Caprisonne, und Marie bekommt Schokolade aufs Brötchen. Nur ich muß immer diese trockenen Brote essen. Die anderen lachen mich schon aus. Am Kiosk in der Schule gibt es seit einem Jahr keine Süßigkeiten mehr. Also esse ich in der Pause nichts. Nach der Schule gehe ich dann schnell zum Kiosk um die Ecke. Mama schimpft immer, wenn ich über die Brote maule, also hab ich zum Schluß gar nichts mehr gesagt ..."
In der Ernährungsberatung können Kinder und Eltern in folgenden Lernbereichen unterstützt werden: Bei Kindern sollte an erster Stelle die Entwicklung des Geschmackerlebens und das Kennenlernen der Nahrungsmittelvielfalt gefördert werden. Hinzu kommen Hilfen beim Lösen von Ernährungskonflikten beispielsweise durch Gespräche. Zudem ist es sinnvoll, Körpererfahrung und Bewegung zu stärken, da diese die Identitätsentwicklung sowie die Sättigungsregulation des Kindes beeinflussen. Wenn ein Kind gelernt hat, seine Körpersignale differenziert wahrzunehmen und adäquat zu beantworten, wird es Probleme seltener mit Essen beantworten. Erst an zweiter Stelle stehen die kindgerechten Ernährungsinformationen, wobei sich weder Ernährungswissenschaftler noch Pädagogen einig sind, was ein Kind letztendlich wissen sollte. Bei Eltern und Erziehern geht es vor allem darum, das Wissen um eine ausgewogene Ernährung zu erweitern und einen Erziehungsstil zu verstärken, der die Selbständigkeit des Kindes fördert. Des weiteren sollten Eltern die Bedeutung der Körpererfahrung und der Bewegung für die Entwicklung des Kindes erkennen und am Beispiel erleben.
Gesunde Ernährung für Kinder: Maßvoller Umgang mit Süßigkeiten
Eine Kindheit ohne Süßigkeiten ist in unserer Gesellschaft unvorstellbar. Auch wenn Eltern es schaffen, während der ersten Jahre Schokolade & Co von ihrem Nachwuchs fernzuhalten, kommt er spätestens in der Kindergruppe, beim Kindergeburtstag oder einem Besuch bei Opa und Oma auf den Geschmack. Problematisch werden Süßigkeiten vor allem dann, wenn das Kind einen Großteil seines Energiebedarfs damit deckt. Für Lebensmittel, die wichtige Nährstoffe liefern, ist dann nur noch wenig Platz. Ziel sollte es daher sein, Kinder zu einem maßvollen Umgang mit Süßigkeiten zu erziehen.
Gelegentlich reicht
Süßigkeiten sollte es nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit geben. Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind Zeiten, am besten nach einer Mahlzeit, an denen es etwas Süßes bekommt. Danach können dann gleich die Zähne geputzt werden. Auch süße Mitbringsel müssen nicht alle auf einmal verzehrt werden, sondern können nach und nach aufgebraucht werden.
Mit gutem Vorbild voran
Glaubwürdig sind Ihre Bemühungen nur, wenn Sie selbst einen maßvollen Umgang mit Süßigkeiten vorleben und am besten erst gar keine Naschereien im Haus haben. Dann kommt Ihr Kind auch viel seltener auf die Idee, daß es etwas Süßes haben will.
Süßschwelle reduzieren
Untersuchungen des Forschungsinstitutes für Kinderernährung in Dortmund haben gezeigt, daß viele Kinder auch mit mäßig gesüßten Lebensmitteln zufrieden sind. Am einfachsten ist es, wenn sie erst gar nicht an eine intensive Süße gewöhnt werden. Bei gekauften Süßwaren hat man leider nur wenig Einfluß auf den Zuckergehalt. Mit Süßstoff hergestellte, sogenannte zahnfreundliche Naschereien sind meist besonders süß. Probieren Sie daher selbst die Süßigkeiten, die Sie Ihrem Kind geben und bevorzugen Sie mäßig Gesüßtes wie Vollkornkekse, Reiswaffeln oder Fruchtjoghurts.
Natürliche Süße nutzen
Mit natürlicherweise süßen Lebensmitteln wie Obst und selbstgemachten Süßspeisen läßt sich das Bedürfnis nach Süßem vielfach schon befriedigen. Obst, Trockenfrüchte, und selbstgemachte Vollkornkuchen oder Puddings haben den Vorteil, daß sie wichtige Nährstoffe liefern. Verwenden Sie Süßungsmittel, die einen Eigengeschmack haben wie Honig, Dicksäfte oder Vollrohrzucker; sie werden automatisch geringer dosiert.
LITERATUR:
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR ERNÄHRUNG E.V. (Hrsg.): Der Ernährungsbericht 1984. Druckerei Henrich, Frankfurt a.M.1984
HASSEL, H.: Bärenstark essen. Arbeitskartei Ernährung für Kinder (6-10 Jahre). In: AID Verbraucherdienst. 2/40 Jg., S. 33-39, 1995
HASSEL, H.: Fühlen, wenn ich hungrig bin, essen, was mir guttut. Anregungen zur Gesundheitsförderung in Kindertagesstätten. In: Handbuch der Elementarerziehung. Ergänzungslieferung 10: 2.48, Kallmeyer, Seelze 1995
HASSEL, H.: Gesundheitsförderung - Bausteine für ein didaktisches Modell "Gesunde Gewichtsentwicklung von Kindern (6-10 Jahre)", Dr. Köster Verlag, Berlin 1996
SCHULZ VON THUN, F.: Miteinander reden. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Bd. 1, Rowohlt, Hamburg
1993
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