Säure-Basen-Haushalt: Besser basisch essen

Naturheilärzte und Mediziner diskutieren seit Langem, welchen Einfluss der Säure-Basen-Haushalt im Organismus hat und welche Bedeutung der Ernährung dabei zukommt. Essen wir uns mit der üblichen Lebensmittelauswahl sauer und ist eine basische Ernährung die bessere Option?

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Alle Stoffwechselvorgänge in unserem Körper finden in einem wässrigen Milieu statt und sind von verschiedenen Umgebungsbedingungen abhängig, auch vom pH-Wert (siehe Kasten). Im Blut liegt der pH-Wert konstant in einem leicht basischen Bereich zwischen 7,35 und 7,44. Schwankungen stören den Transport von Nährstoffen und Sauerstoff, die Tätigkeit von Enzymen und Hormonen, die Durchlässigkeit der Zellmembrane, die Verteilung von Elektrolyten, die Reizleitung im Nervensystem und die Erregbarkeit von Muskelzellen. Auch die meisten Sekrete und Organe liegen im leicht basischen Bereich. Extrem sauer ist das Milieu dagegen im Magen. Die saure Umgebung sorgt hier für eine optimale Verdauungsleistung und tötet unerwünschte Bakterien ab.

Wirksame körpereigene Puffersysteme

Um Schwankungen des Blut-pH-Wertes auszugleichen, wirken verschiedene Puffersysteme. Der bedeutendste Puffer im Blut ist das Kohlensäure-Bicarbonat-System. Es macht etwa die Hälfte der gesamten Pufferkapzität des Körpers aus. Weiterhin können der rote Blutfarbstoff Hämoglobin und Phosphoproteine im Blut Säuren abfangen. Sie müssen diese wieder abgeben, hauptsächlich über die Lungen und Nieren. Dabei binden sich die Wasserstoff-Ionen (H+ der Säuren an Bicarbonat-Ionen, werden so neutralisiert und zerfallen schließlich zu Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O). Das Kohlendioxid wird über die Lunge abgeatmet. Rund zwei Drittel der anfallenden Säuren werden auf diese Weise aus dem Körper geschleust. Durch eine vermehrte Atmung kann der Körper so innerhalb kurzer Zeit eine beträchtliche Säuremenge beseitigen. Längerfristig wirkt die Ausscheidung über die Nieren. Im Harn puffern neben Bicarbonat auch Ammoniak, Carbonat- und Citratverbindungen Säuren ab. Die Nieren können dabei auch die Säuren eliminieren, die nicht über die Atmung ausgeschieden werden. Ausreichendes Trinken ist dabei Voraussetzung für eine effektive Ausscheidung. Eine gewisse Menge an Säure kann der Körper zudem über Schweiß und den Darm abgeben.

Die Magenschleimhaut bildet bei der Verdauung Salzsäure und Bicarbonat. Die Salzsäure gelangt ins Mageninnere. Ein Teil des Bicarbonats gelangt über den Blutkreislauf zur Bauchspeicheldrüse. Dort wird sie angereichert und dann in den Dünndarm abgegeben, um die Salzsäure zu neutralisieren, die mit dem Speisebrei aus dem Magen in den Darm kommt. Daraus resultiert eine zeitweilig hohe Konzentration von Bicarbonat im Blut – auch Basenflut genannt. Damit wird das Bindegewebe periodisch durchspült, Säuren werden abgepuffert, zur Niere transportiert und gelangen so zur Ausscheidung.

Säuren aus schwefelhaltigen Aminosäuren

Ein Säureüberschuss entsteht nicht, wenn man saures Obst isst. Im Gegenteil: Auch Zitronen wirken im Organismus durch ihre Inhaltsstoffe wie Magnesiumcitrat basisch – trotz der enthaltenen Zitronensäure. Auch andere organische Säuren wie Milch-, Apfel- oder Essigsäure lassen den Körper nicht übersäuern. Sie sind in Lebensmitteln wie Obst, Essig und Sauermilchprodukten enthalten oder entstehen als Zwischenprodukte im Energiestoffwechsel. Der Organismus baut diese Säuren vollständig zu Kohlendioxid und Wasser ab. In der Lunge wird das CO2 vollständig abgeatmet. Daher werden diese Säuren als flüchtige oder veratembare Säuren bezeichnet. Davon zu unterscheiden sind sogenannte fixe Säuren, die nicht abgeatmet werden können. Sie entstehen beim Abbau schwefel- und phosphorhaltiger Verbindungen. Schwefel findet sich insbesondere in den Aminosäuren Methionin und Cystein und kommt damit in allen eiweißhaltigen Lebensmitteln vor. Der Anteil ist in Fleisch, Fisch und Käse geringfügig höher als in Hülsenfrüchten, Getreide und Nüssen. Zudem findet sich Schwefel als möglicher Zusatzstoff in Wein, Trockenfrüchten und Kartoffelerzeugnissen. Phosphor kommt in vielen Lebensmitteln natürlicherweise vor und ist als Zusatzstoff zum Beispiel in Cola, Schmelzkäse oder Fleisch- und Wurstwaren enthalten.

Basische Lebensmittel sind mineralstoffreich

Mineralstoffreiche pflanzliche Lebensmittel mit mäßigem Proteingehalt wie Gemüse, Obst, Kartoffeln und Kräuter gelten als besonders stark basenbildend. Auch Mineralwasser mit einem hohen Gehalt an Hydrogencarbonat hat einen starken basenbildenden, entsäuernden Effekt. Basisch wirken hauptsächlich Verbindungen aus Mineralstoffen und organischen Säuren wie Kaliummalat, Calciumcarbonat und Magnesiumcitrat. Eine sogenannte basische Ernährung, die in verschiedenen Büchern propagiert wird, besteht aus etwa zwei Dritteln basischen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst und Kartoffeln. Nur ein Drittel der täglichen Kost sollte nach Ansicht der Autoren aus säurebildenden Lebensmitten bestehen. Dazu zählen Fleisch, Fisch, Käse, Eier, aber auch Getreideprodukte wie Brot und Nudeln sowie Alkohol.

Säureeffekt einiger Lebensmittel unklar

In Veröffentlichungen und Ratgebern zum Säure-Basen-Haushalt finden sich zum Teil sehr unterschiedliche Angaben zum Effekt der verschiedenen Lebensmittel auf das Säure-Basen-Gleichgewicht. Oft bleibt undurchsichtig, wie die Autoren zu ihren Einschätzungen kommen. Eine verlässliche und wissenschaftlich gut abgesicherte Quelle zur Einschätzung der Säurelast von Lebensmitteln ist die Potential Renal Acid Load (PRAL), die potenzielle Säurebelastung der Nieren nach Remer und Manz (siehe Tabelle). Der Wert kalkuliert für jeweils 100 Gramm des untersuchten Lebensmittels saure und basische Valenzen: den Schwefelgehalt aus Aminosäuren, den Phosphorgehalt, weitere Mineralstoffe sowie die entsprechenden Resorptionsraten im Darm. Er ermöglicht eine Aussage über die Aufnahme ausscheidungspflichtiger Säuren, die nicht abgeatmet werden, sondern über die Nieren ausgeschieden werden müssen und dabei basische Puffer verbrauchen.

LebensmittelmEq/100 g
Gemüse– 0,8 bis – 14,0B
Obst– 1,9 bis – 6,5B
Gemüsesäfte– 2,8 bis – 4,8B
Obstsäfte– 1,0 bis – 2,9B
Kräuter– 5,3 bis – 12,0B
Zucker, Süßwaren– 1,4 bis + 3,7
Getreide+ 3,7 bis + 12,5S
Brot+ 1,8 bis + 7,2S
Trinkmilch, Joghurt, Frischkäse+ 0,7 bis + 1,2S
Schnittkäse+ 18,6 bis + 26,4S
Schmelzkäse+ 28,7S
Fisch+ 6,8 bis + 13,5S
Fleisch, Wurst+ 4,1 bis + 19,0S

Tab 1: Potenzielle Säurelast der Lebensmittelgruppen, Angaben im Milliäquivalent Säure pro 100 g Lebensmittel (mEq/100 g). Ein positiver Wert zeigt eine Säurelast (S), ein Minus bedeutet eine negative Säurelast, das Lebensmittel ist basenbildend (B).

Latente Azidose: Puffersysteme überlastet

Eine akute metabolische Azidose, das heißt eine ernährungsbedingte Übersäuerung im Sinne einer manifesten Verschiebung des pH-Wertes im Blut tritt selbst durch eine sehr fleischlastige und gemüsearme Ernährung nicht auf. Denn die Säureausscheidungskapazität der Nieren ist deutlich höher als die Säurebelastung durch die Nahrung und der Körper verfügt über gute Mechanismen zum Abpuffern. Die akute metabolische Azidose tritt beispielsweise im Rahmen eines diabetischen Komas mit schwerer Ketoazidose oder einer chronischen Niereninsuffizienz mit stark verringerter Säureausscheidung auf.

Dennoch kann auch bei Gesunden eine säurelastige Ernährung langfristige Folgen haben: die latente Azidose. Dabei liegt der Blut-pH zwar noch im physiologischen Toleranzbereich, ist aber bereits zum Sauren hin verschoben. Die Pufferkapazitäten in Bindegewebe, Blut und Körperzellen sind vermindert bzw. übermäßig beansprucht. Ein typisches Anzeichen der latenten Azidose ist eine erhöhte Säureausscheidung über die Nieren, die nur teilweise abgepuffert wird. So zeigte sich bei üblicher Mischkost ein deutlich niedrigerer pH-Wert (gemessen im 24-Stunden-Urin) als bei ausgewogener oder lakto-ovo-vegetabiler Ernährung. Weil die Puffer auch von der Mineralstoffzufuhr gespeist werden, sind höhere Mineralstoffverluste oft auch eine Folge der latenten Azidose. Knorpel- und Bindegewebe sind zwar in der Lage, Säuren abzupuffern. Dadurch verändern sich aber ihre Eigenschaften, der Stofftransport kann beeinträchtigt sein, ebenso wie die Aufgabe, eine festigende Struktur zwischen den Körperzellen zu bilden.

Basenreich für die Knochen

Besonders in Bezug auf die Osteoporose gibt es deutliche Hinweise auf einen Einfluss des Säure-Basen-Haushaltes. So führt bereits eine geringfügige Azidose zu einem erhöhten Knochenabbau. Studien belegen, dass eine fortdauernde Säurelast die Freisetzung von Mineralstoffen aus dem Knochen begünstigt. Die Aktivität der Knochen abbauenden Zellen (Osteoklasten) steigt bei azidotischer Stoffwechsellage. Eine Ernährung mit reichlich Gemüse, Obst und basischen Valenzen ist auf jeden Fall mit einer höheren Knochendichte assoziiert.

Verschiedene Studien zeigen einen gesteigerten Calciumverlust über die Nieren bei einer Erhöhung der Proteinzufuhr. Die Untersuchungen gehen von einem zusätzlichen Calciumverlust von 0,8 bis 1,5 mg Calcium pro zusätzlichem Gramm Protein aus. Dabei scheint es sich tatsächlich um ein Säureproblem zu handeln. Denn in einer der Untersuchungen zeigte sich, dass bei gleichzeitiger Gabe von pufferndem Hydrogencarbonat der zusätzliche Calciumverlust ausblieb.

Trotz einer erhöhten Proteinzufuhr tragen auch Milchprodukte zur Knochenstabilität bei. Zwar erhöht die zusätzliche Proteinzufuhr durch Milchprodukte die Calciumverluste über die Nieren. Diese werden durch das in Milchprodukten enthaltene Calcium aber mehr als ausgeglichen, auch wenn die Resporbtionsstrate nur 30 % beträgt. Denn unter dem Strich wird ungefähr viermal so viel Calcium aufgenommen, als zum Neutralisieren des Milchproteins notwendig ist. Eine Berechnung der Welternährungsorganisation FAO und der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2004 zeigt, dass eine maßvolle Proteinzufuhr den Calciumhaushalt entlastet und dadurch der Calciumbedarf sinkt. Insbesondere eine verminderte Zufuhr an tierischem Protein (von 60 auf 20 Gramm täglich) reduziert die berechnete Calciumempfehlung um ein Viertel.

Ursache für Rheuma und Gefäßerkrankungen?

Latente Azidose und ein gestörter Stoffwechsel des Bindegewebes können auch die Ursache für eine große Zahl von Gefäßerkrankungen und rheumatischen Beschwerden sein. Wenn eine Übersäuerung tatsächlich die Strukturen und Funktionen des Bindegewebes beeinträchtigt, wäre eine Beteiligung der latenten Azidose an diesen Beschwerden durchaus nachvollziehbar. Bei rheumatischen Erkrankungen spielt zudem die Arachidonsäure, eine mehrfach ungesättigte Fettsäure, eine Schlüsselrolle für die Entzündung. Sie kommt vorwiegend in säurebildenden Lebensmitteln wie Fleisch bzw. ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor. Ein latenter Säureüberschuss kann das Arachidonsäureproblem verstärken.

Bei Gicht ist die Ausscheidung von Harnsäure gestört. Auch hier handelt es sich um ein Säureproblem, das möglicherweise durch eine latente Azidose verstärkt wird. Bekanntlich werden Gichtbeschwerden durch die Aufnahme großer Mengen tierischen Proteins – und damit auch von Purinen – verschärft. Für Nierensteine, Hautprobleme oder Haarausfall gibt es ebenfalls nachvollziehbare Anhaltspunkte, die zumindest eine Beteiligung einer latenten Azidose möglich erscheinen lassen. Zahlreiche weitere Erkrankungen und Gesundheitsstörungen werden als Folge einer latenten Azidose diskutiert: Herzrhythmusstörungen, Bindegewebsschwäche, Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen, Rückenschmerzen, Insulinresistenz, Muskelabbau, chronische Müdigkeit und anderes mehr. Belastbare wissenschaftliche Studien sind allerdings nur vereinzelt vorhanden.

Stress begünstigt Säurebildung

Auch Stress und Anspannung können eine Säureproblematik verstärken. Stress führt zur Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin. Herzschlag und Blutdruck werden erhöht, die Atemfrequenz steigt und gleichzeitig nimmt die Atemtiefe ab. Es werden vermehrt Fettsäuren freigesetzt. Die Atmung wird zwar beschleunigt, gleichzeitig aber auch flacher. Dadurch kann sich der Bicarbonat-Puffer weniger regenerieren. Letztendlich endet auch der Abbau der Stresshormone in der Bildung einer Säure. Darüber hinaus führt Stress oft zur Muskelanspannung, wodurch der Abtransport der Säuren erschwert wird.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Ernährung einen wesentlichen Einfluss auf den Säure-Basen-Haushalt hat. Bei gesunden Menschen wird zwar eine stark säurebildende Ernährungsweise mit reichlich Fleisch, Wurst, Eiern, Fisch und Käse nicht zu einer manifesten Azidose führen. Dennoch besteht die Gefahr der latenten Azidose, mit erhöhten Mineralstoffverlusten über den Harn und einem höheren Risiko für bestimmte Erkrankungen. Körperliche Bewegung unterstützt dagegen die Säureausscheidung hauptsächlich über Nieren und Lunge. Denn alle Stoffwechselprodukte – also auch Säuren – werden durch die Muskelpumpe über den venösen und lymphatischen Rückfluss besser abtransportiert und vermehrt ausgeschieden. Sport kann so zur Entsäuerung von Muskel und Bindegewebe beitragen.

Quelle: Martin H.-H. UGBforum 2/17, S. 86-89