Xenical, Simplesse & Co. Alles für die schlanke Linie

Mit fettreduzierten Produkten und Medikamenten locken Lebensmittel- und Pharmaindustrie Gesundheitsbewusste und Abnehmwillige. Kalorienarme Fettstoffe oder Antifettpillen wie Xenical sollen zu Idealgewicht und Gesundheit verhelfen. Doch nützen diese wirklich?

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Wer zu viel isst, wird dick. Doch nicht nur das: Auch das Risiko für andere Krankheiten steigt, insbesondere für Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und möglicherweise Krebs. Ernährungswissenschaftler empfehlen daher, die Energieaufnahme zu senken und insbesondere die Fettzufuhr auf weniger als 30 Prozent der gesamten Energieaufnahme zu vermindern. Denn Fett weist mit etwa neun Kilokalorien pro Gramm (kcal/g) einen fast doppelt so hohen Brennwert auf wie Kohlenhydrate und Proteine. Um Energie einzusparen, ist es daher am effektivsten, weniger Fett zu essen.

Im Handel finden sich inzwischen zahlreiche fettreduzierte Produkte. Es ist jedoch gar nicht so einfach, den kalorienreichen Nährstoff zu ersetzen. Denn Fett spielt vor allem wegen seiner sensorischen Eigenschaften eine wichtige Rolle. Es macht Desserts, Quark und Joghurt cremig-sahnig oder Schokolade zartschmelzend. Um diese Eigenschaften zu imitieren, setzt die Lebensmittelindustrie daher auf kalorienarme oder -freie Fettersatz- oder Fettaustauschstoffe.

Ersatzstoffe verhalten sich wie Fett

Fettersatzstoffe sind Substanzen, deren sensorische und physikalische Eigenschaften denen der Speisefette sehr ähnlich sind. Sie sind hitzestabil und ihr Schmelzverhalten und Aussehen entspricht dem der Nahrungsfette. Daher sind sie zum Backen, Braten und Frittieren geeignet. Nach ihrem Verhalten im Magen-Darmtrakt werden Fettersatzstoffe eingeteilt in für den Körper nicht verwertbare, synthetische Fettstoffe wie Olestra und in Triglyceride mit vermindertem physiologischen Brennwert, zum Beispiel MCT-Fette.

MCT ist die Abkürzung für Medium Chain Triglycerides. In diesen Triglyceriden ist ein Glycerinmolekül mit drei Fettsäuren verbunden, die eine Kettenlänge von weniger als zwölf Kohlenstoffatomen haben - so genannte mittelkettige Fettsäuren. MCT werden vorwiegend aus Kokosöl gewonnen. Der Energiegehalt liegt zwischen 6 und 8,5 Kilokalorien pro Gramm. Mitunter werden sie als "leichte" Fette für Abmagerungskuren angepriesen.

Maßgeschneidert durch neues Design

Die Hauptbestandteile von Fetten und Ölen sind Triglyceride. Sie bestehen natürlicherweise aus einem Molekül Glycerin, an dem drei Fettsäuren hängen. Durch technologische Verfahren lässt sich die Verteilung der Fettsäuren am Glyceringerüst verändern, das heißt "strukturieren". Auf diese Weise erhalten die Fette andere physikalische Eigenschaften, etwa einen höheren Schmelzpunkt. Werden natürliche Fette auf bestimmte Eigenschaften maßgeschneidert, bezeichnet man diese Art der synthetischen Fettersatzstoffe als Designer-Lipide, strukturierte Triglyceride oder strukturierte Lipide. Diese sind kalorienarm, wenn mittel- oder kurzkettige Fettsäuren enthalten sind. Sie werden bisweilen auch mit physiologisch wirksamen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren angereichert wie Eicosapentaensäure oder Gamma-Linolensäure.

Die in einigen Ländern als Lebensmittel zugelassenen strukturierten Triglyceride SALATRIM und Benefat sind kalorienreduzierte Glycerinverbindungen mit einem Energiegehalt von etwa fünf kcal/g. Sie werden in Knabbererzeugnissen und diätetischen Produkten verarbeitet. Für SALATRIM ist die Zulassung in der EU als neuartiges Lebensmittel beantragt. Verschiedene wissenschaftliche Studien bezweifeln allerdings, dass strukturierte Triglyceride und MCT-Fette helfen, das Körpergewicht zu vermindern - zumindest was den langfristigen Erfolg betrifft.

Als funktionelle Lebensmittel sind seit kurzem Diglyceride auf dem Markt, auch als Diacylglycerine, kurz DAG bezeichnet. Dabei ist ein Molekül Glycerin nur mit zwei Fettsäuren verestert. Gemischt mit Pflanzenöl werden Diglyceride kommerziell als "DAG Oil" angeboten, das als Diätfett zur Gewichtsreduktion empfohlen wird. In Japan haben die Gesundheitsbehörden solchen Produkten den FOSHU-Status (Food for Specified Health Use) zugebilligt. Das heißt, sie werden als Lebensmittel mit speziellem gesundheitlichen Nutzen anerkannt. In den USA erhielten die Öle den GRAS-Status (Generally Recognized As Safe). Das bedeutet, dass sie generell als sicher gelten. In Deutschland sind Diglyceride im Gemisch mit Monoglyceriden als Emulgatoren für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassen. Sie verbergen sich hinter der E-Nummer 471. Der Emulgator Dur-Lo ist zum Beispiel ein solches Gemisch. Lebensmittelhersteller verwenden ihn als Ersatz für Backfette - so genannte Shortenings. Von diesem Produkt werden geringere Mengen benötigt als von üblichen Back- und Ziehfetten, um die Eigenschaften des Teigs zu verbessern. Auf diese Weise haben die Backwaren weniger Kalorien als die übliche Variante.

Kalorienfreie Fettstoffe zeigen Nebenwirkungen

Nahezu oder völlig kalorienfrei sind die so genannten nicht-glyceridischen Fettersatzstoffe. Sie werden synthetisch unter anderem aus Kohlenhydraten hergestellt. Die Verdauungsenzyme des Magen-Darmtrakts können diese kaum angreifen. Deshalb werden sie nicht in den Körper aufgenommen und passieren den Verdauungstrakt größtenteils unverändert. Man bezeichnet die nicht-glyceridischen Verbindungen daher auch als akalorische Fettersatzstoffe. Sie haben allerdings Nebenwirkungen. So können sie etwa zu Verdauungsstörungen führen und die Bioverfügbarkeit fettlöslicher Vitamine verringern. Bisher ist nur ein synthetischer Ersatzstoff erlaubt - ein Polyfettsäureester des Rohrzuckers mit dem Namen Olestra bzw. Olean. Dieser ist in den USA beschränkt zugelassen und darf nur in Kartoffelchips verwendet werden.

Fettaustauschstoffe weit verbreitet

Anders als Fettersatzstoffe unterscheiden sich Fettaustauschstoffe in ihren physikalischen Eigenschaften stark von natürlichen Fetten. Vor allem sind sie nicht hitzestabil. Allerdings simulieren sie die sensorischen Eigenschaften von Speisefetten in Lebensmitteln sehr gut. Als Fettaustauschstoffe setzen Lebensmittelhersteller verschiedene wenig verdauliche Kohlenhydrate, quellfähige Ballaststoffe sowie speziell bearbeitete Eiweiße ein. Dazu zählen beispielsweise Stärke- und Cellulosederivate, Inulin sowie Gelbildner bzw. Verdickungsmittel wie Guarmehl oder Xanthangummi. Letztere verwendet die Lebensmittelindustrie schon seit langem. Toxikologisch sind Fettaustauschstoffe weitgehend unbedenklich. Breite Anwendung finden sie bei Lebensmitteln, die nicht über 100 Grad Celsius erhitzt werden, zum Beispiel in Mayonnaisen, Wurstwaren, Milchprodukten oder Eiscreme. Neben ihrer geringen Energiedichte können viele dieser Substanzen auch eine große Menge Wasser binden und erzeugen dadurch ein fettähnliches, cremiges Gefühl im Mund.

Ähnliche Effekte erreichen Food-Designer auch mit feinen quellfähigen Partikeln, etwa Z-Trim. Diese werden aus den Hüllen von Sojabohnen, Reis und Hafer mit einem speziellen Aufschlussverfahren hergestellt. Wässrige Gele aus Stärke-Verbindungen wie Maltodextrine aus Tapioca, Kartoffelstärke oder Maismehl werden zum Beispiel in emulgierten Soßen, Dressings, Milcherzeugnissen, Desserts, Brotaufstrichen, Bäckereiprodukten oder Eiscreme eingesetzt. Ihr Brennwert liegt bei etwa 0,9 kcal/g. Auf dem Markt finden sich beispielsweise Maltodextrine aus Tapiocastärke wie N-Oil und N-Lite, Paselli SAS aus Kartoffelstärke oder Maltrin und Stellar aus Maisstärke. Die Verwendung derartiger Gelbildner oder Verdickungsmittel ist in der Zusatzstoffzulassungs-Verordnung bzw. Zusatzstoffverkehrsordnung rechtlich geregelt.

Auch Eiweiß kann Fett ersetzen

Casein, Molkenproteine, Gelatine und Hühnereiweiß können ebenfalls als Ausgangsmaterial für Fettaustauschstoffe dienen. Durch die so genannte Mikropartikulierung zerkleinern die Hersteller das Eiweiß vorab in feine Teilchen. Daraus lassen sich dann dickflüssige Produkte mit einer fettähnlichen Textur herstellen, die ein cremiges Mundgefühl vermitteln. Zur Anwendung kommt dies etwa in fettarmen Milchdesserts. Bekannt geworden sind vor allem verschiedene Simplesse-Produkte und das Molkenproteinerzeugnis Dairy Lo. Aus dem Maisprotein Zein werden ebenfalls mikropartikulierte Produkte (Lita) gewonnen. Fettaustauschstoffe auf der Basis von Milchproteinen sind wieder weitgehend vom Markt verschwunden, da ihre sensorischen Eigenschaften - bei relativ hohen Preisen - den Konsumenten offensichtlich nicht überzeugten.

Eine cremige Konsistenz lässt sich bei fettarmen Lebensmitteln aber auch durch technologische Tricks erzeugen. Dies erreichen die Produzenten beispielsweise durch das Einarbeiten von Luft oder Wasser oder den Einsatz von speziellen Kohlenhydrat-Fettgemischen und Emulgatoren. So sind Brotaufstrichsfette wie Halbfettmargarinen oder Mischfetterzeugnisse aus Butter und anderen tierischen oder pflanzlichen Fetten auf dem Markt, deren Fettgehalt zum Teil nur noch 25 bis 30 Prozent beträgt. Als Emulgator wird zum Beispiel Olibra verwendet. Dabei handelt es sich um eine wässrige Emulsion mit Palmöl und Lipiden aus Hafer, die sich unter anderem als Zusatz für Joghurts eignet. Das Kohlenhydrat-Fett-Gemisch Fantesk ist eine stabile Emulsion von Stärke und Wasser mit geringen Anteilen eines Öls. Es dient als Fettaustauschstoff für Milcherzeugnisse und Backwaren. Ein ähnliches Produkt, N-Flate, besteht aus einem Gemisch von Mono-und Diglyceriden, modifizierter Stärke und Guar-Gummi und wird wie Dur-Lo als Ersatz für Back- und Ziehfette eingesetzt. Bei diesen Produkten handelt es um US-amerikanische Entwicklungen. Inwieweit diese Stoffe in Deutschland oder der EU vertrieben werden, ist uns nicht bekannt.

In jüngster Zeit diskutieren Experten neue Behandlungsmethoden von Übergewicht und Adipositas. Eine Reihe von Verbindungen bieten aus ernährungsphysiologischer oder medizinischer Sicht interessante Ansatzpunkte. So zum Beispiel die konjugierten Linolsäuren, kurz CLA (Conjugated Linoleic Acids). Sie entstehen vor allem aus Linolsäure sowohl auf natürliche Weise als auch bei der lebensmitteltechnologischen Bearbeitung von Fetten und Ölen. Im Tierversuch führten CLA zu einer Abnahme der Fettreserven. Studien mit Testpersonen erzielten allerdings widersprüchliche Ergebnisse.

Medikamente als letzte Hilfe

Ein anderer Therapieansatz ist die Einnahme von Medikamenten, die die Fettaufnahme auf unterschiedliche Weise behindern. Eines davon enthält den Wirkstoff Tetrahydrolipstatin und ist bekannt als Orlistat oder Xenical. Es hemmt das fettspaltende Verdauungsenzym Pankreaslipase, wodurch Nahrungsfette im Verdauungstrakt nicht vollständig verdaut werden können. Die Fettresorption und damit auch die gesamte Energieaufnahme werden auf diese Weise verringert. Klinische Studien bestätigten die Wirksamkeit von Orlistat zur Bekämpfung von starkem Übergewicht. In der Europäischen Union (EU) ist es als Medikament zugelassen.

Ebenfalls erlaubt ist das Arzneimittel Reductil mit dem Wirkstoff Sibutramin. Allerdings wirkt es nicht im Verdauungstrakt, sondern direkt im Gehirn. Dort erzeugt es ein Sättigungsgefühl und verringert so die Nahrungsaufnahme. Auch das hormonartige Eiweiß Leptin steht in der Diskussion. Es kommt natürlicherweise im Körper vor. Eine hohe Konzentration im Blut signalisiert dem Gehirn, dass genügend Nahrung aufgenommen wurde. Derzeit werden Medikamente entwickelt, um therapeutisch in den Leptin-Stoffwechsel einzugreifen und so die Nahrungsaufnahme zu verringern.

Fettaustauschstoffe auf Kohlenhydrat- und Eiweißbasis gelten als unbedenklich. Dagegen warnen Experten vor den Gefahren durch Medikamente und künstliche Fettersatzstoffe. Diese können nicht nur zu Verdauungsstörungen führen, sondern vermindern auch die Aufnahme fettlöslicher Vitamine und essenzieller Fettsäuren.

Außerdem ist umstritten, inwieweit die Verwendung von fett- und kalorienreduzierten Lebensmitteln sowie der Einsatz von Medikamenten bei Übergewicht und Adipositas helfen. Zwar lässt sich das Körpergewicht auf diese Weise zeitweilig deutlich reduzieren, doch wird bezweifelt, dass die Wirkung von Dauer ist.

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Weber, N.; Mukherjee, K.D.; Warwel, S.: UGB-Forum 4/02, S. 183-186