Saft oder Semmeln?

Beim Fasten wird nicht nur reichlich Wasser und Tee getrunken, sondern es werden je nach Methode verschiedene Ergänzungen gegeben. Sie reichen von Säften und Gemüsebrühe über Brötchen bis hin zu Wein. Bei richtiger Anwendung können sie den Fastenprozeß positiv unterstützen.

saft oder semmeln

Fasten hat eine lange Tradition. In allen Weltreligionen gibt es Empfehlungen zum zeitweisen Nahrungsverzicht, wobei der spirituelle Aspekt meist im Vordergrund steht. Im islamischen Fastenmonat "Ramadan" beispielsweise wird traditionsgemäß zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nichts gegessen. Leider wird dann abends häufig so viel geschlemmt, daß die positiven Wirkungen des Fastentages aufgehoben werden. Auch im Mittelalter suchten die körperlich hart arbeitenden Mönche nach Möglichkeiten, trotz Fastenzeit Energie aufnehmen zu können. Nach dem Motto "liquidum non frangit" - "Flüssiges bricht das Fasten nicht" - führten sie Starkbier als Fastengetränk ein. Noch heute ist besonders in Bayern die Starkbierzeit ein großes, gesellschaftliches Ereignis, bei dem allerdings nicht mehr gefastet wird. Im Christentum läutet der Karneval die vorösterliche Fastenzeit ein. Das Wort "Karneval" hat vom Wortstamm her zwei Bedeutungen: Neben Carrus navalis = Schiffswagen bezieht es sich auch auf Carne vale = Fleisch, lebe wohl. Die allemannische "Fastnacht" deutet ebenfalls auf die letzte Nacht vor der Fastenzeit hin.

Trinken ad libitum

Auch wenn beim Fasten freiwillig auf Nahrung verzichtet wird, heißt das nicht, daß gar nichts aufgenommen wird. Insbesondere Getränke sind während der Fastenzeit unentbehrlich. Etwa drei Liter Flüssigkeit sollte der Fastende täglich zu sich nehmen. Empfehlenswert sind Wasser, Kräuter- und Früchtetees sowie kleinere Mengen Fruchtsaft. Die hohen Trinkmengen sind nötig, damit die in der Fastenzeit entstehenden Abbauprodukte ausreichend über die Nieren ausgeschieden werden können.

Neben den Getränken werden je nach Fastenrichtung verschiedene Zusätze gegeben, die geringe Mengen an Kalorien enthalten können. Solange die Energiezufuhr unter 500 Kilokalorien bleibt, werden die erwünschten Fastenwirkungen nicht beeinträchtigt. Zusätze wie Saft und Gemüsebrühe, Molke oder Milch gewährleisten zudem eine geringe Vitamin- und Mineralstoffzufuhr. Durch Säfte, eventuell ein bis zwei Teelöffel Honig, Brötchen oder Getreidebrei wird dem Körper auch etwas Glucose zugeführt. Dies trägt dazu bei, daß während der Fastenzeit weniger Protein abgebaut wird. Bei schlanken Fastern oder einem sehr langen Fastenzeitraum ist darüber hinaus eine geringe Proteinzufuhr über Buttermilch oder Molke sinnvoll. Bei einigen Fastenvarianten sind Molke oder Milch ohnehin fester Bestandteil des Fastenmenüs.

Aus der Fastenbewegung um die Jahrhundertwende sind unterschiedliche Fastenformen entstanden, die sich durch die Ergänzungen, aber auch das Begleitprogramm unterscheiden. Bei allen Varianten sind positive Fastenerfolge zu verzeichnen, und es ist mehr eine Frage der persönlichen Vorliebe, für welche Fastenart man sich entscheidet.

Nach Buchinger, Mayr oder Schroth?

Das klassische Heilfasten wurde von dem deutschen Arzt Dr. Otto Buchinger entwickelt, der sich mit dieser Methode selbst von einem starken Gelenkrheuma heilte. Neben Mineralwasser und Kräutertee, eventuell mit wenig Honig gesüßt, werden Gemüsebrühe, Fruchtsaft und etwas Zitronensaft getrunken. Sehr schlanke Faster und Personen, die über einen längeren Zeitraum fasten, erhalten täglich einen viertel Liter Buttermilch oder fettarmen Joghurt. Sehr viel Wert wird auf fastenbegleitende Maßnahmen wie Bewegungs- und Entspannungsprogramme, regelmäßige Körper- und Darmpflege sowie einen geregelten Kostaufbau gelegt. Auch die psycho-soziale Betreuung der Fastenden gehört zum Buchinger-Programm.

Beim Mayr-Fasten nach dem österreichischen Arzt Franz Xaver Mayr (1875-1965) wird in der Regel ein strenges Fasten mit Wasser, Tee und Gemüsebrühe von der "Milch-Semmel-Kur" abgelöst. Letztere ist ein Teilfasten, bei dem als Besonderheit ein Kautraining durchgeführt wird. Zweimal täglich werden 2-4 altbackene Weißmehlbrötchen mit wenig Milch intensiv gekaut. Dadurch soll gutes Kauen, ein kräftiger Speichelfluß und das Erleben eines Sättigungsgefühls eingeübt werden. Wie bei den anderen Fastenformen kommt auch hier der Magen-Darm-Trakt weitgehend zur Ruhe. Aus diesem Grund ist es nicht sinnvoll, Vollkornbrötchen zu verwenden, da die darin enthaltenen Ballaststoffe den Darm zu stark anregen würden. Zur regelmäßigen Darmentleerung wird jeden Morgen Bittersalz gegeben und eine Bauchmassage durchgeführt. Eine Mayr-Kur dauert in der Regel mindestens drei Wochen und wird vor allem zur Magen-Darm-Sanierung eingesetzt. Wegen der notwendigen Bauchmassage kann sie zu Hause schlecht durchgeführt werden.

Die Schroth-Kur wurde vor etwa 150 Jahren von dem schlesischen Bauern Johann Schroth (1798-1856) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Teilfasten, das kleine Mengen Getreide in Form von altbackenen Brötchen oder Brot und Gemüse in Form von Suppen enthält. Es können bis zu 1200 Kilokalorien pro Tag erreicht werden. Sogenannte Trinktage wechseln sich mit Trockentagen ab. Dadurch soll die Reinigungswirkung auf den Organismus besonders groß sein. An den drei Trockentagen pro Woche wird außer einem achtel Liter Wein, der in kleinen Schlücken eingenommen wird, nichts getrunken. Statt des Weins kann auch Traubensaft verwendet werden, die meisten Fastenden bevorzugen jedoch das anregende Getränk. Unentbehrlich bei einer Schroth-Kur ist der Dunstwickel. Dabei wird der Körper in feucht-kalte Tücher eingewickelt und so die Durchblutung angeregt. Trotz der umstrittenen Weingaben hat sich die Schroth-Kur im Rahmen einer Badekur bewährt. Fasten wird auch bei anderen ganzheitlich orientierten Kurformen eingesetzt, z. B. im Rahmen einer Kneipp- oder Felkekur.

Weniger empfehlenswert: Crash-Diäten

Im Gegensatz zu den ganzheitlichen Fastenformen steht die "Nulldiät", bei der keinerlei Kalorien zugeführt werden. Sie soll eine schnelle Gewichtsreduktion bewirken und wird meist stationär in Krankenhäusern durchgeführt. Neben kalorienfreien Getränken werden meist Vitamin- und Mineralstoffpräparate gegeben. Ein ganzheitliches Therapieprogramm fehlt bei dieser Fastenvariante. Sie ist daher nicht zu empfehlen. Dem Fasten nachempfunden sind sogenannte Formula-Diäten, die zur Gewichtsreduktion verhelfen sollen. Die Abnehmwilligen trinken dreimal täglich in Wasser angerührtes Pulver, daß die wichtigsten Nährstoffe enthält. Bis zu 1200 Kilokalorien werden so pro Tag aufgenommen. In den 70er Jahren gab es in den USA ein Formula-Produkt mit dem Namen "last-chance-diet", das für einige Anwender tatsächlich zu ihrem letzten Willen wurde. Über die genaue Todesursache wird nach wie vor spekuliert - extrem lange Fastenzeiten ohne Betreuung und Mangel an Aminosäuren aufgrund einer schlechten Proteinqualität sind mögliche Gründe. Leider hat dieser Skandal auch das ganzheitliche Fasten in Mißkredit gebracht. Formula-Diäten sind nicht zu empfehlen, da eine kurzfristige Gewichtsreduktion im Vordergrund steht und begleitende Maßnahmen wie Darmentleerung und Bewegung fehlen.

Heilfasten

Der Begriff "Heilfasten" wurde 1935 von Dr. Otto Buchinger geprägt. Heute sorgt dieser Begriff zum Teil für Verwirrung, da darunter oft nur das rein therapeutische Fasten verstanden wird. Dieses sollte selbstverständlich nur unter fastenärztlicher Be-treuung durchgeführt werden. Buchinger verstand jedoch unter "Heilfasten" sowohl die Unterstützung physiologischer Gesundheit als auch eines seelisch-geistigen Wohlbefindens. "Heilfasten" umfaßt somit neben dem therapeutischen Fasten auch die präventive, vorbeugende Seite des Fastens, das heißt auch Gesunde können "Heilfasten".

Den Körper entlasten

Die am weitesten verbreitete Fastenvariante für Gesunde ist das Gemüsebrühe-Saft-Fasten nach Buchinger. Sie wird in verschiedenen Ratgebern so ausführlich beschrieben, daß sie auch zu Hause durchgeführt werden kann. Meist verläuft das Fasten jedoch erfolgreicher, wenn es im Rahmen einer geleiteten Gruppe erfolgt. Besonders wer zum ersten Mal fastet, sollte dies möglichst unter Anleitung erfahrener Fastenleiter oder in einer Fastenklinik tun.

Jedes Fasten sollte gut vorbereitet werden. Für den Entlastungstag und die ersten Fastentage benötigt man reichlich Obst oder Gemüse, ausreichend Mineralwasser, Kräutertees und Säfte. Zumindest Alleinlebende sollten überlegen, ob sie nicht restliche Essensvorräte verschenken oder wegräumen wollen, damit sie nicht ständig ans Essen erinnert werden. Weiterhin benötigt man ein Einlaufgerät zur regelmäßigen Darmentleerung. Eine Wärmflasche, Sportzeug, Hautöl und eine Trockenbürste sind ebenfalls gute Fastenbegleiter. Außerdem sollte man sich zumindest für die ersten Tage keine dringenden Arbeiten oder Termine vornehmen, damit man das Fasten in Ruhe angehen kann.

Mit Obst oder Reis?

Der Entlastungstag bereitet körperlich und seelisch auf das Fasten vor. Am besten gelingt dies mit einem Obsttag, an dem etwa 1,5 Kilogramm frisches Obst oder Gemüse gegessen werden. Für Magen-Darm-Empfindliche ist auch ein Reistag zur Entlastung geeignet: 100 bis 150 Gramm Reis mit gedünsteten Äpfeln und ein wenig gedünstetem Gemüse werden über den Tag verteilt verzehrt. Der erste Fastentag beginnt mit einer gründlichen Darmentleerung. Dies gelingt am besten mit 2 Eßlöffeln Glaubersalz in einem dreiviertel Liter warmen Wasser aufgelöst. Wem der Geschmack unangenehm ist, kann ein wenig Fruchtsaft zugeben bzw. im Anschluß den Mund damit ausspülen. Für die nächsten drei Stunden sollte immer eine freie Toilette in Reichweite sein. Denn das bittere Salz regt die Darmtätigkeit enorm an. Alternativ kann der Darm auch mit Sennesblättertee oder Sauerkrautsaft entleert werden, was jedoch nicht immer so erfolgreich ist wie Glaubersalz. Gerade am ersten Fastentag ist es wichtig, viel zu trinken und sich Ruhe zu gönnen.

Nach dem ersten oder zweiten Fastentag hat man meistens den Einstieg ins Fasten geschafft. Der Organismus hat auf die "Ernährung von innen" umgeschaltet, ein anfängliches Hungergefühl tritt kaum noch auf. Immer wichtiger werden jetzt unterstützende Maßnahmen wie ein leichtes Bewegungsprogramm, das den Kreislauf und den Stoffwechsel in Schwung hält. Man sollte auch bedenken, daß beim Fasten mit dem Essen auch eine besondere Art der Zuwendung entfällt. Spaziergänge an frischer Luft, innere Ruhe, körperliche Nähe, Musik, Tanz und anderes mehr können das möglicherweise entstehende emotionale Vakuum füllen.

Den Darm regelmäßig entleeren

Verstärkte körperliche Ausdünstungen über die Haut und die Lunge sollten den Fastenden nicht beunruhigen. Sie sind lediglich ein Zeichen dafür, daß der Körper auch ohne Nahrung sehr aktiv ist. Eine intensive Körperpflege trägt dazu bei, daß man sich frisch fühlt. Gegen einen unangenehmen Geschmack im Mund kann eine Spülung mit verdünntem Zitronensaft helfen. Dr. Hellmut Lützner, lange Jahre Chefarzt der Kurpark-Fastenklinik in Überlingen am Bodensee, empfiehlt auch zur Regulierung des Blut-Harnsäure-Spiegels, den Saft von zwei bis drei Zitronen über den Tag verteilt aufzunehmen.

Damit Endprodukte des Stoffwechsels ausgeschieden werden können, ist eine regelmäßige Darmentleerung wichtig. Gerade während des Fastens gibt der Körper über Leber und Galle sowie über die Darmschleimhaut verschiedene Stoffwechselprodukte ab. Auch abgeschilferte Schleimhautzellen und abgestorbene Darmbakterien würden ohne Entleerung im Darm verbleiben. Da ohne Nahrungszufuhr die Darmbewegung zum Erliegen kommt, muß sie aktiviert werden. Die schonendste Methode dafür stellt der Einlauf dar, der jeden zweiten Tag durchgeführt werden sollte. Wer aus einem Klinikaufenthalt den Einlauf in schlechter Erinnerung hat, wird überrascht sein, daß er bei schonender Durchführung nicht unangenehm sein muß. Viele Faster haben mit morgendlichen Kreislaufschwierigkeiten zu kämpfen. Langsames Aufstehen, Gymnastik an frischer Luft, Massagen und Trockenbürsten oder kalte Arm- und Beingüsse im Anschluß an eine warme Dusche können hier helfen. Auch etwas Gin-seng- oder Schwarztee kurbeln den Kreislauf an.

Wie lange gefastet werden soll, kann nicht pauschal angegeben werden. Üblich sind ein bis vier Fastenwochen. Längere Fastenperioden sollten auf alle Fälle von einem Fastenarzt begleitet werden. Kürzer als eine Woche zu fasten, ist nicht sinnvoll, da selbst erfahrene Faster zur Umstellung oft ein bis zwei Tage benötigen. Viele Menschen fasten regelmäßig ein- oder zweimal im Jahr, andere wiederum nur alle paar Jahre.

Das Fasten richtig brechen

Laut George Bernhard Shaw kann jeder "Dumme fasten, aber nur ein Weiser kann das Fasten richtig abbrechen". Der Kostaufbau ist ein enorm wichtiger Bestandteil des Fastens. Der Organismus, besonders das Verdauungssystem, muß langsam wieder an seine Aufgaben herangeführt werden. Daher sollte man sich für den Aufbau mindestens drei Tage Zeit nehmen. Am ersten Aufbautag wird am Vormittag ein Apfel gegessen, dem Sie Ihre volle Aufmerksamkeit widmen sollten. Vielfach wird ein gedünsteter Apfel besser vertragen als ein frischer. In beiden Fällen sollte jeder Bissen lange und gründlich gekaut werden. Mittags wird eine leichte Gemüsesuppe und abends eine Scheibe Knäckebrot sowie etwas Joghurt oder Buttermilch, eventuell mit eingeweichten Leinsamen, gegessen.

Am zweiten Aufbautag steigert man sich zu einer kleinen Frischkost aus leicht verträglichem Gemüse wie Blattsalaten oder Möhren, etwas Getreideschrot in der Gemüsesuppe sowie gedünstetem Gemüse mit Pellkartoffeln. Der dritte Aufbautag führt idealerweise weiter zur Vollwert-Ernährung hin mit einem Müsli aus Getreideflocken, Obst und Joghurt, viel Frischkost und Vollkornbrot. Auch während der Aufbautage sollte viel getrunken werden, möglichst aber nicht zu den Mahlzeiten. Ansonsten wird man zu leicht dazu verführt, ohne gründliches Kauen das Essen hinunterzuspülen. In der Aufbauphase sollte bewußt und ohne weitere Ablenkung langsam und wenig gegessen sowie gründlich gekaut werden.

Quelle: Martin, H.-H.: UGB-Forum 2/96, S. 77-80 Foto: Thomas Max Müller / pixelio.de

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LITERATUR:
BUCHINGER, M. (Hrsg.): Heilfasten. Die Buchinger Methode. Der natürliche Weg zu körperlicher und seelischer Gesundheit. 2. Aufl., dtv, München 1995
BUCHINGER, O.: Das Heilfasten. 21. Aufl., Hippo- krates Verlag, Stuttgart 1987
DAHLKE; R.: Bewußt fasten. Ein Wegweiser zu neuen Erfahrungen. Urania Verlag, Waakirchen 1980
LÜTZNER, H.: Aktive Diätetik. Fasten, Intensivdiätetik, Ernährungstherapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart 1993
LÜTZNER, H.; MILLION, H.; HOPFENZITZ, P.: Fasten. Selbständiges Fasten für Gesunde - Schritt für Schritt zum richtigen Essen und zu neuem Selbstbewußtsein. 3. Aufl., Gräfe und Unzer Verlag, München 1994

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